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Politik: Stress im Klassenzimmer: "Lehrer fühlen sich wie Löwenbändiger"

Jeder dritte Lehrer in Deutschland fühlt sich beruflich ausgebrannt und überfordert. Viele davon haben sogar massive Angst vor ihren Schülern.

Jeder dritte Lehrer in Deutschland fühlt sich beruflich ausgebrannt und überfordert. Viele davon haben sogar massive Angst vor ihren Schülern. Ein weiteres Drittel fühlt sich verkannt, erschöpft, bekommt zu wenig Anerkennung und überfordert sich selbst. Zu diesen Ergebnissen kommt der Psychologe Uwe Schaarschmidt von der Universität Potsdam in einer mehrjährigen Untersuchung über "Stress im Klassenzimmer", die am Mittwoch vom Deutschen Beamtenbund in Berlin vorgestellt wurde.

Laut Studie leiden die Pädagogen besonders unter dem Verhalten schwieriger Schüler im Unterricht. "Lehrer werden teilweise beleidigt und fühlen sich von ihren Schülern nicht mehr als Menschen respektiert", sagte Schaarschmidt. An zweiter Stelle steht die Klage über zu große Klassen, gefolgt von zu vielen Unterrichtsstunden und Verwaltungsaufgaben. "Bis zu 38 Schüler sitzen heute in einer Klasse", sagte der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes, Peter Heesen, bei der Präsentation der Untersuchung. Über 30 Schüler seien die Regel. Je größer eine Klasse sei, desto schwerer falle es dem Pädagogen natürlich, sich dem einzelnen Schüler zuzuwenden und schwierige Schüler zu integrieren. "Kinder und Jugendliche sind in unserer Gesellschaft nicht mehr an große Gruppen gewöhnt, viele kommen aus Familien mit einem oder zwei Kindern."

Allerdings gab die Untersuchung auch Hinweise auf berufliche Defizite bei den Pädagogen. Nur rund jeder vierte Lehrer zeigte sich gesund, vital und zufrieden in seinem Beruf. In Süddeutschland waren dies mehr als im Norden, im Westen mehr als im Osten. Die zufriedenen Pädagogen zeichnen sich nach Schaarschmidts Worten oft dadurch aus, dass sie schon mit guten Fähigkeiten in den Beruf einsteigen. Wenn sie dann noch ein gutes Schul- und Lernklima sowie eine gute Schulleitung vorfänden, blieben Enttäuschungen aus. Groß ist der "Leidensdruck" dagegen bei den Lehrern in den neuen Bundesländern, besonders in Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Dort gebe es mehr verhaltensauffällige Schüler, berichtete Schaarschmidt: "Der Lehrer fühlt sich in solchen Fällen oft nur noch als eine Art Löwenbändiger, der kaum noch zum Unterrichten kommt."

Der Psychologe befragte mit seinem Team mehr als 4000 Lehrer und verglich die Ergebnisse mit der beruflichen Selbsteinschätzung von über 8000 anderen Beschäftigten. Der Beamtenbund will die Fortsetzung der Studie über die Arbeitsbelastung der Pädagogen in den nächsten beiden Jahren mit 250 000 Mark unterstützen.

"An der Lehrerausbildung muss sich einiges ändern", sagte Peter Heesen zu den Konsequenzen aus der Studie. Bei der Entscheidung für den Lehrerberuf würden die Belastungen oft unterschätzt. Wer Schwierigkeiten habe, sich mit anderen Menschen zu verständigen, sei wahrscheinlich ungeeignet. Heesen forderte, mehr gut ausgebildete und motivierte Junglehrer einzustellen. "Jeder fünfte Lehrer ist älter als 55 Jahre. Das Durchschnittsalter lag im vergangenen Schuljahr bei 47."

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