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Politik: Strukturelle Gewalt

Bericht zu Missbrauchsfällen im Kloster Ettal.

München - Wie konnte es im oberbayerischen Klosterinternat Ettal von etwa 1950 bis 1990 zu vielen Fällen von Gewalt und sexuellem Missbrauch kommen? Und warum wurde darüber so lange geschwiegen, bis im Frühjahr 2010 der Skandal öffentlich aufgerollt wurde? Diesen Fragen widmet sich die am Donnerstag in München vorgestellte erste umfassende Studie zu den Vorfällen.

Die Forscher vom Münchner Institut für Praxisforschung und Projektberatung schonen die Ettaler Äbte und Mönche nicht. Sie räumen vor allem mit der Meinung auf, dass es sich bei Gewalt und Missbrauch um Einzelfälle gehandelt habe, die hinter dem Rücken der Klostergemeinschaft vorgefallen seien. Vielmehr machten die Ettaler Strukturen, die pädagogischen Grundlinien, die Überforderung der Lehrkräfte und die „Tabuisierung der Sexualität“ die Taten erst möglich. Diese hätten auch früh aufgedeckt werden können, wenn es denn in Internat und Kloster nicht eine solch „hierarchische Organisationsform“ gegeben hätte.

Nach Ansicht des Forscherteams um den Sozialpsychologen Heiner Keupp fehlte es an einer professionellen Pädagogik. Gewalt wurde als Mittel der Erziehung angesehen, wobei die Grenze „zwischen einer strafenden und einer sadistischen Erziehung“ schwierig zu ziehen sei. Ohne die Einbindung in das Klosterleben und die katholische Welt könne man aber, so der Bericht, die Missbrauchsfälle nicht erklären. Eine „reflektierte Auseinandersetzung mit der Sexualität“ werde dort „durch vielfältige Tabus erschwert“. Das gelte besonders für Mönche. Funktionierte deren Selbstkontrolle nicht, „bot das Internat genügend Möglichkeiten, sich an Schülern zu vergehen“. Innerhalb des Klosters wiederum habe es, auch durch den Anspruch der Eliteschule, „Ringe des Schweigens“ gegeben.

In Auftrag gegeben wurde das Forschungsprojekt vom Kloster in Abstimmung mit dem Verein Ettaler Missbrauchsopfer. Dessen Vorsitzender Robert Köhler wertet das Projekt als „mutigen und konsequenten Weg in der Aufarbeitung“. Viele „helfende Hände“ hätten die Verständigung zwischen der jetzigen Klosterleitung und den Opfern unterstützt. Patrick Guyton

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