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Studie: Mehr Muslime in Deutschland als bekannt

Im Vorfeld der vom Bundesinnenminister initiierten Islamkonferenz erhellt eine Studie neue Details über das "Muslimische Leben in Deutschland".

In Deutschland leben deutlich mehr Muslime als bisher angenommen. Nach einer am Dienstag in Berlin vorgelegten Erhebung wohnen zwischen 3,8 Millionen und 4,3 Millionen in der Bundesrepublik, was einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von rund fünf Prozent entspricht. Bislang lagen die Schätzungen wegen fehlender statistischer Erhebungen bei 3 bis 3,5 Millionen. 45 Prozent der hier lebenden Muslime ausländischer Herkunft haben einen deutschen Pass, 55 Prozent eine ausländische Nationalität.

Die Studie "Muslimisches Leben in Deutschland" hat das Nürnberger Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Auftrag der Deutschen Islamkonferenz erstellt. Die Konferenz kommt am Donnerstag auf Einladung von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu ihrer abschließenden Sitzung zusammen. Diese erste repräsentative Studie belegt die Vielfältigkeit des muslimischen Lebens in Deutschland. 6004 Personen ab 16 Jahren aus 49 muslimisch geprägten Herkunftsländern wurden zu Religion und Integration befragt. Mit den Angaben über Haushaltsmitglieder stützt sich die Auswertung auf fast 17.000 Personen. Fast alle Muslime (98 Prozent) leben in den alten Bundesländern einschließlich des Ostens Berlins.

Defizite bei der sprachlichen Integration

Die soziale Integration ist der Studie zufolge besser als angenommen. Mehr als die Hälfte der Muslime sind Mitglied in einem deutschen Verein. Die Untersuchung bestätigt aber auch Defizite bei der sprachlichen Integration. Generell weisen Muslime niedrigere Integrationswerte auf als Angehörige anderer Religionen aus denselben Herkunftsländern. Die Autoren halten es für nötig, vorschulische, schulische und außerschulische Förderung der Migranten konsequent voranzutreiben.

In Deutschland geborene Muslime (zweite Generation) sind besser integriert als ihre Eltern, die als Arbeitskräfte meist aus bildungsfernen Schichten angeworben wurden. Die größten Defizite stellt die Studie bei türkischen Migranten fest. Diese schneiden im Vergleich zu anderen Gruppen bei der Schulbildung relativ schlecht ab, was sich vor allem durch extrem schlechte Werte bei türkischen Frauen der ersten Zuwanderergeneration erklärt. Mit rund 2,5 Millionen haben zwei von drei der hier lebenden Muslime türkische Wurzeln.

Die Studie belegt auch, dass aus der religiösen Zusammensetzung der Bevölkerung des Herkunftslandes nicht automatisch auf die Religion der hier lebenden Migranten geschlossen werden kann. Ein erheblicher Teil der Menschen aus diesen Ländern sind keine Muslime. So gaben fast 40 Prozent der iranischen Migranten an, keiner Religionsgemeinschaft anzugehören. Daraus zieht die Studie den Schluss, dass sich die Integration nicht auf religiöse Zielgruppen beschränken darf.

70 Prozent der muslimischen Frauen tragen kein Kopftuch

Die Mehrheit der Muslime ist gläubig. Ein gutes Drittel stuft sich als stark, die Hälfte als eher gläubig ein. 13,6 Prozent gaben an, eher nicht oder gar nicht zu glauben. In religiösen Vereinigungen oder Gemeinden ist mit 20 Prozent nur eine Minderheit. Von den Spitzenverbänden fühlt sich nur eine Minderheit vertreten. Religiöse Veranstaltungen besucht nur ein gutes Drittel häufig, die Mehrheit selten oder nie, wobei Frauen häufiger als Männer fernbleiben. Der Wunsch nach einem islamischen Religionsunterricht ist indes stark. 76 Prozent sprechen sich dafür aus.

Das in der Öffentlichkeit besonders umstrittene Kopftuch tragen 70 Prozent der muslimischen Frauen nie. Der Unterschied zwischen der ersten und zweiten Generation ist hier gering, wobei ein Viertel der zuerst zugewanderten Musliminnen immer ein Kopftuch umbindet. Das in der Integrationsdebatte oft kritisierte Fernbleiben muslimischer Mädchen von Unterrichtsangeboten sollte nicht dramatisiert werden, raten die Autoren. Dies sei kein Massenphänomen. Laut Studie bleiben 7 Prozent der muslimischen Schülerinnen dem gemischtgeschlechtlichen Schwimmuntericht und 10 Prozent den Klassenfahrten fern. Diese Selbstausgrenzung müsse aber bei der Integrationsförderung berücksichtigt werden.

Die strengen islamischen Speisevorschriften beachten die meisten (80,7 Prozent) Befragten. Muslime iranischer Herkunft setzen sich indes zu 75 Prozent darüber hinweg. Auch Schiiten und Aleviten nehmen die Vorschriften nicht so ernst. (Zeit online/dpa)

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