zum Hauptinhalt
Frauen fühlen sich besonders oft wegen ihres Geschlechtes diskriminiert.

© IMAGO

Studie zu Diskriminierung in Deutschland: Jeder Dritte fühlt sich diskriminiert

Alter und Geschlecht sind häufigste Gründe für Benachteiligung, wie eine neue Studie zeigt. Am Arbeitsplatz wird besonders häufig diskriminiert.

Eine Muslima ist mit Kopftuch auf Wohnungssuche und erhält eine Absage, obwohl die Wohnung noch zu haben ist. Einem schwerbehinderten Minijobber wird die Festanstellung wegen seiner Krankheitszeiten verwehrt. Und einen Homosexuellen beleidigen die Kollegen auf der Arbeit als „Schwuli“ und „Tunte“, sie werden sogar handgreiflich.

Diskriminierung ist in Deutschland weitverbreitet. Das geht aus einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hervor, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Demnach haben 31,4 Prozent, also nahezu jeder Dritte, in den vergangenen zwei Jahren eine Diskriminierung erfahren – sei es wegen Herkunft, sexueller Identität, Geschlecht, Religion, Behinderung, Weltanschauung oder Alter. „Das betrifft einen erheblichen Teil der Bevölkerung“, sagte Christine Lüders, die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle. Besonders am Arbeitsplatz oder beim Zugang zu Beschäftigung würden Menschen benachteiligt.

Bei der Erhebung handelt es sich um eine Doppelstudie. Der erste Teil war eine repräsentative Umfrage unter mehr als 1000 Menschen. In einem zweiten, nicht repräsentativen Teil berichteten etwa 18 000 Betroffene von ihren Erfahrungen. Es ist die größte Erhebung, die es jemals in Deutschland zu Diskriminierung gegeben hat.

"Geschlechterdiskriminierung ist strukturell verankert"

Der häufigste Diskriminierungsgrund ist demnach das Alter. Knapp 15 Prozent der Befragten hatten das Gefühl, benachteiligt worden zu sein, weil sie zu jung oder zu alt waren. „Das kann jeden treffen“, sagt Lüders. Fast jeder Zehnte fühlt sich wegen seines Geschlechts diskriminiert. Das betrifft vor allem Frauen, die fünf Mal so häufig wie Männer diese Erfahrung machten. „Geschlechterdiskriminierung ist in Deutschland strukturell verankert“, sagte Naika Foroutan, Mitautorin der Studie und stellvertretende Institutsdirektorin des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung.

Im Zuge der Erhebung wurde laut Lüders deutlich, dass die Menschen in Deutschland für das Problem der Diskriminierung sensibilisiert seien und sich mehrheitlich nicht damit abfänden. Etwa sechs Prozent der Betroffenen strengten sogar ein gerichtliches Verfahren an. „Aber es braucht eine gut organisierte Interessensvertretung, um nicht allein gegen den Arbeitgeber vorgehen zu müssen.“

Soziale Herkunft - als Diskriminierungsgrund verbieten

Lüders fordert ein Klagerecht für die Antidiskriminierungsstelle und Antidiskriminierungsverbände, um Betroffene vor Gericht zu unterstützen. „Das ist in vielen anderen europäischen Ländern längst möglich.“ Zudem kündigte Lüders an, dass nun, zehn Jahre nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG), eine Evaluierung stattfinde. „Weitere Kriterien müssen in das AGG aufgenommen werden. Auch die Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft sollte verboten werden. Über das Gewicht denken wir ebenfalls nach.“

Besonders häufig würden im Bildungsbereich Menschen wegen ihrer sozioökonomischen Lage benachteiligt. „Die Herkunft spielt nach wie vor eine Rolle beim Bildungsaufstieg“, sagte Forscherin Foroutan. Während Alter und Geschlecht im Arbeitsleben vermehrt zu Benachteiligungen führten, sei es im privaten Bereich vor allem die sexuelle Identität. Häufig führe Diskriminierung zu seelischen Belastungen und Misstrauen – das schwäche den Zusammenhalt in der Gesellschaft.

Zur Startseite