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Politik: Stürzen oder kontrollieren

Europa setzt auf die UN. Washington will den Diktator auf jeden Fall los werden: Worum es in der Irak-Debatte geht

Offiziell ist sie im Programm nicht vorgesehen. Aber die Diskussion über einen möglichen Krieg gegen den Irak ist beim Treffen der EU-Außenminister in Helsingörzum das zentrale Thema. Die Europäer haben in dieser Frage ihre gemeinsame Position noch nicht gefunden. Während die Bundesregierung eine Beteiligung an einem Krieg gegen Saddam ablehnt, warnt Dänemark davor, die militärische Option ganz auszuschließen. „Ohne die Drohung mit einer Invasion als letzter Antwort gibt es auch keinen Druck, die Inspektoren ins Land zu lassen“, betonte der dänische Außenminister Per Stig Möller. Dänemark, derzeit EU-Ratspräsident, tritt gleichzeitig dafür ein, das Vorgehen gegen den Irak im Rahmen der UN zu entscheiden. Genau darin könnte der gemeinsame Nenner der EU-Staaten liegen. Die Europäer fürchten einen Alleingang der USA, nachdem Vizepräsident Dick Cheney einen Präventivschlag für zwingend erklärt hatte. Besonders scharf war die Reaktion aus Paris: Präsident Jacques Chirac kritisierte Versuche, „den einseitigen und präventiven Einsatz von Gewalt“ zu rechtfertigen. Auch die Briten, bisher stärkste Unterstützer Washingtons, gehen auf Distanz: Mit dem vorgeschlagenen Ultimatum an Bagdad setzt London demonstrativ auf die Rückkehr der Inspektoren. Allerdings schließen die Briten damit einen Militärschlag als letzte Lösung nicht aus – eine Position, die bei anderen Ländern auf Widerspruch stoßen könnte. vs

Die USA bemühen sich derzeit, die Verbündeten zu beruhigen. Außenminister Colin Powell, der sich in der Irak-Debatte bemerkenswert zurückhält, wirbt in Telefongesprächen mit seinen europäischen Kollegen für Washingtons Position. Und Cheney versichert, die USA wollten keinen Alleingang. Bush werde die Verbündeten konsultieren, bevor er eine Entscheidung treffe. Dass Washington sich durch die Verbündeten von seinen Plänen abbringen ließe, gilt aber als unwahrscheinlich. Den USA geht es längst um mehr als um die Rückkehr der Inspektoren. „Der einzige Weg, das Problem zu lösen, ist ein Regimewechsel“, sagt Außenamtssprecher Richard Boucher. Würden die USA also selbst dann einen Militärschlag in Erwägung ziehen, wenn Bagdad die Inspektoren doch einreisen lässt und die Bedingungen der UN erfüllt? Dann müssten die USA im Alleingang handeln. Eine solche „Zieländerung“, wie Bundeskanzler Schröder es nennt, würden die meisten Europäer wohl in keinem Fall mittragen. vs

Die Europäer wollen die Forderungen an den Irak über die Mechanismen der Vereinten Nationen durchsetzen. In den USA mehren sich Stimmen, die alle Bemühungen des UN-Sicherheitsrates um eine Rückkehr der Inspektoren für nutzlos halten. Ein Präventivschlag ist aus völkerrechtlicher Sicht aber nicht gerechtfertigt. Auch auf die bestehenden UN-Resolutionen kann sich Washington nicht berufen: Diese beziehen sich auf eine Rückkehr der UN-Waffeninspektoren – ein Angriff, der auf den Sturz des Diktators in Bagdad zielt, ist nach Meinung von Völkerrechtlern durch die Resolutionen nicht gedeckt. Theoretisch könnte Washington nun versuchen, vor dem UN-Sicherheitsrat eine Resolution zu erwirken, die einen Angriff auf den Irak ermöglicht. Doch Frankreich und Großbritannien würden voraussichtlich keiner Resolution zustimmen, die einen Sturz Saddam Husseins zum Ziel hat. Russland und China lehnen ein Vorgehen gegen Bagdad kategorisch ab. vs

Wenn Ölförderländer wie Saudi-Arabien, Kuwait, Libyen oder Iran ehrlich wären, müssten sie ihren Widerstand gegen einen Irak-Krieg mit der alten Friedensbewegungsformel begründen: „Kein Blut für Öl“. Denn sie alle verdienen prächtig daran, dass in Bagdad ein sanktionsgeschwächter Despot wie Saddam regiert. Ein Sturz des Diktators dagegen hätte womöglich eine Modernisierung der irakischen Ölförderungsanlagen zur Folge und damit mindestens eine Verdoppelung der Öl-Exportkapazitäten. Ein größeres Angebot würde den Preis sinken lassen, das Opec-Kartell wäre geschwächt. Das wünscht sich keiner der Scheichs, die ihren Reichtum einzig dem „schwarzen Gold“ verdanken. Hinzu kommt, dass viele moslemische Araber das Öl als ihre stärkste Waffen im Kampf gegen die westliche Dominanz betrachten. „Nach Gott ist es der zweite Grund, auf den wir bauen können“, frohlockt der saudische König Fahd. mal

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