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Stuttgart 21: EU hat nie über den Bahnhofsbau abgestimmt

In der Debatte um den umstrittenen neuen Bahnhof in Stuttgart, beziehen sich die Entscheidungsträger derzeit häufig auf den Willen des EU-Parlaments. Die aber hat über Stuttgart 21 nie konkret abgestimmt.

Der Oberbürgermeister hat es getan, der Ministerpräsident auch und die Kanzlerin. Angela Merkel hatte auf dem Landesparteitag der rheinland-pfälzischen CDU vor einer Woche gesagt, Stuttgart 21 sei „ein europäisches Projekt, das auch im Europäischen Parlament abgestimmt wurde“. Wolfgang Schuster hatte in seinem offenen Brief an die Stuttgarter Bevölkerung geschrieben, dem Projekt sei „auf der europäischen, Bundes-, Landes-, Regions- und Stadtebene … mit überzeugender Mehrheit von über 75 Prozent zugestimmt“ worden. Und Stefan Mappus wurde im ZDF zitiert, er stehe zu dem, „was das Europäische Parlament für richtig hält“. In offenen Briefen haben dazu die grüne Stuttgarter Europaabgeordnete Heide Rühle und der verkehrspolitische Sprecher Michael Cramer (ebenfalls von den Grünen) klargestellt, dass sie als europäische Parlamentarier „zu keinem Zeitpunkt über den Bahnhofsumbau abgestimmt“ haben. Rühle sagte dem Tagesspiegel, dass „immer, wenn unbequeme Entscheidungen durchgeboxt werden sollen, auf Europa gezeigt wird“. Tatsächlich hatte Merkel gesagt, Deutschland müssen den EU-Partnern zeigen, „dass wir zuverlässig sind“ – und damit klar eine europäische Verpflichtung insinuiert.

Dies ist relevant in der Debatte, ob die Tieferlegung des Stuttgarter Bahnhofs zwingende Voraussetzung für die Neubaustrecke Stuttgart–Ulm über Wendlingen ist, die wiederum zur europäischen Magistrale Paris–Bratislava gehört. Dieser allgemeinen Strategie, wonach Europa schnelle Verbindungen braucht, hat das EU-Parlament 1996 seinen Segen gegeben: „Der Auf- und Ausbau der transeuropäischen Netze dient wichtigen Gemeinschaftszielen wie dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes und der Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts.“ Eine konkrete Abstimmung zu Stuttgart 21 hat es allerdings nie gegeben.

Zur Koppelung der beiden Teilprojekte gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Der EU-Koordinator für die europäischen Magistralen, der Ungar Peter Balazs, hatte eine europäische Kofinanzierung nur für die Neubaustrecke vorgeschlagen. In seinem Bericht hieß es 2006: „Es müssen alle lokalen Aspekte wie die Neugestaltung der städtischen Verkehrsmittel und der neue Bahnhof von den kommunalen, regionalen und nationalen Behörden finanziert werden. Der Beitrag der Gemeinschaft wird sich auf die Realisierung der Strecke Paris–Bratislava konzentrieren; der Abschnitt Stuttgart–Ulm ist Teil dieser Verbindung und kann kofinanziert werden, allerdings unter Ausschluss lokaler Aspekte.“ So kam es auch. Helen Kearns, die Sprecherin von EU-Verkehrskommissar Siim Kallas, stellt ausdrücklich fest: „Es gibt keine EU-Kofinanzierung für den Bahnhof, sondern ausschließlich für die Strecke nach Ulm.“ Baden-Württembergs Europaminister Wolfgang Reinhart (CDU) beharrt aber darauf, dass die bis 2013 vorgesehenen EU-Finanzhilfe bis zu 216 Millionen Euro sich auf das Gesamtvorhaben beziehe.

Eine Verbindung zwischen EU und dem Stuttgarter Bahnhofsprojekt gibt es aber unstrittig: Insgesamt sechs Studien zur Machbarkeit oder Umweltverträglichkeit wurden aus Brüssel mit insgesamt 18,7 Millionen Euro bezuschusst.

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