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Fritz Kuhn.

© dpa

Stuttgart: Fritz Kuhn - der bürgerliche Grüne

Fritz Kuhn hat schon Parteikarriere gemacht. Er war Vorsitzender der baden-württembergischen Landtagsfraktion, Parteichef und Chef der Bundestagsfraktion. Nun will er Stadtoberhaupt von Stuttgart werden.

Von Matthias Meisner

"Heimkehr“, findet Fritz Kuhn, sei ein schönes Wort für das, was er vorhat. Denn vieles, was ein Politiker werden kann, war der Grüne schon, ein Ministeramt mal ausgenommen. Früher mal war er Chef der baden-württembergischen Landtagsfraktion, als Winfried Kretschmann, der heutige Ministerpräsident, dort noch einfacher Abgeordneter war, dann Parteivorsitzender und Vorsitzender der Bundestagsfraktion. Jetzt aber zieht es ihn aus Berlin zurück nach Stuttgart. Bei den Oberbürgermeisterwahlen am 7. Oktober will er antreten. Das Vorhaben ist ihm ernst, schließlich dürfte Kuhn auch weit mehr als nur Außenseiterchancen haben. Um Zeit für den Wahlkampf zu haben, gibt er den stellvertretenden Vorsitz der Bundestagsfraktion und die Leitung des Arbeitskreises für Wirtschaft, Finanzen und Soziales ab.

Offiziell treffen die Stuttgarter Grünen die Entscheidung über die OB-Kandidatur erst Mitte März bei einer Mitgliederversammlung. Doch „grünes Licht“ haben sie Kuhn, in der Lokalpresse als „Grünen-Star“ gelobt, längst gegeben. Zwei Wochen liegt die erste Anfrage bei Kuhn zurück, in der vergangenen Woche entschied die Findungskommission dann einstimmig, dass der 56-jährige Bundestagsabgeordnete aus Heidelberg Nachfolger des CDU-Amtsinhabers Wolfgang Schuster werden soll, der nicht mehr kandidiert. An diesem Donnerstag soll Kuhn bei einem Neujahrsempfang des Kreisverbandes zu den Mitgliedern sprechen. Auch Kretschmann soll, obwohl kein Spezi von Kuhn, Gefallen an dem geplanten Coup gefunden haben. Es geht nicht nur darum, dass die Grünen zum ersten Mal tatsächlich in einer Landeshauptstadt den Oberbürgermeister stellen, sondern auch um den Versuch, eine rot-grüne Allianz zugunsten des Kandidaten zu schmieden – was, nach dem grün-roten Erfolg bei der Südwest-Wahl im März 2011, ein neues Vorzeichen für einen Regierungswechsel 2013 im Bund wäre.

Gerade nach den heftigen Auseinandersetzungen um das Bahnprojekt Stuttgart 21 ist die Bewerbung Kuhns eine besondere Herausforderung, „reizvoll“, wie er sagt. Wortgewaltig versucht der Linguist, sich eine Vermittlerrolle zwischen Gegnern und Befürwortern des Bahnprojekts auszumalen. Er spricht davon, dass er es immer für falsch gehalten habe, „für so viel Geld einen Bahnhof unterirdisch“ zu legen, dass er aber andererseits den

„Energie der Protestierer“ muss verwandelt werden in eine „positive Gestaltung“

Volksentscheid gegen einen Baustopp als „höchsten Willen“ akzeptiere. Die „Energie der Protestierer“ müsse verwandelt werden in eine „positive Gestaltung“, schließlich habe es sich bei den Demonstrationen auch um einen „kulturellen Aufbruch“ gehandelt. Es gehe nun darum, „Gräben zu überbrücken“ und „Brücken zu bauen“. Kuhn traut sich das zu.

Wen die CDU ins Rennen schickt, ist noch nicht klar. Der parteilose Berliner Werbeunternehmer Sebastian Turner, in Stuttgart aufgewachsen, hat sein Interesse angemeldet. Ambitionen hat aber auch der frühere Sozialminister Andreas Renner, der sich immer mal wieder mit schwarz-grünen Gedankenspielen einen Namen gemacht hat. Sowohl Kuhn als auch Turner und Renner stehen für Stuttgart als moderne und auf gar keinen Fall mehr spießige Großstadt. Alle drei könnten wohl im bürgerlich-konservativen Milieu punkten. Spannend wird, wie die SPD sich verhält. Bei früheren OB-Wahlen in Stuttgart konnten sich Sozialdemokraten und Grüne nicht auf einen Kandidaten einigen. Diesmal hat die SPD noch keinen Bewerber benannt. „Die Verletzungen in der Vergangenheit waren groß genug“, sagt Kuhn. Jetzt müssten die Sozialdemokraten überlegen. Maßgeblich für ihn wird sein, ob er in die Stichwahl kommt – im zweiten Wahlgang genügt die einfache Mehrheit.

Kuhn hofft, dass die Grünen-Basis in Stuttgart ihn voll unterstützt – das wäre dann anders als etwa in Berlin, wo Renate Künast mit ihrer Bewerbung um das Amt der Regierenden Bürgermeisterin scheiterte. Kuhn weiß, dass er auch von Parteifreunden einerseits als blitzgescheit, andererseits als schroff beschrieben wird. Er selbst sagt über sich, dass er durchaus streng sein könne, um etwas durchzusetzen: „Wenn es darauf ankommt, kann ich auch kantig sein.“ OB aber gehe „nur kooperativ“, verspricht er, und dass er besser wisse als früher, wann man in einen Konflikt scharf reingehen müsse und wann nicht. In Stuttgart ankommen will ein Baden-Württemberger, „der auch in der Welt herumgekommen ist“.

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