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Stuttgarter EnBW-Deal: Vernichtendes Urteil des Rechnungshofs

Der Rückkauf von EnBW-Anteilen durch das Land Baden-Württemberg im Jahr 2010 ist höchst umstritten. Der Rechnungshof hat den Vorgang untersucht. Zu welchem Urteil kommt er?

Der Rechnungshof kommt insgesamt zu einem vernichtenden Urteil über das Geschäft, und damit letztlich über das politische Handeln der damaligen baden-württembergischen Landesregierung unter Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU): Das Verfahren im Vorfeld des Ankaufs der EnBW-Anteile durch das Land habe „in wesentlichen Teilen nicht den Anforderungen genügt, die aus der Landesverfassung und der Landeshaushaltsordnung folgen“. Doch das wusste man bereits seit dem Urteil des baden-württembergischen Staatsgerichtshofs vom Oktober 2011. Dort wurde festgestellt, dass der damalige Finanzminister Willi Stächele (CDU) gegen die Landesverfassung verstieß, als er seine Unterschrift unter die Notbewilligung zum Ankauf der EnBW-Aktien ohne Beteiligung des Parlaments leistete. Stächele trat wenige Tage später als Landtagspräsident zurück. Ende 2011 konstituierte sich ein Untersuchungsausschuss, der seither dem Deal auf den Grund zu gehen versucht.

Eine entscheidende Frage aber, wegen der der Landesrechnungshof am Dienstag so im Blickpunkt der Aufmerksamkeit stand, wird von dem Gremium nicht beantwortet: „Der Rechnungshof trifft keine Aussage darüber, ob der vereinbarte Kaufpreis angemessen oder zu hoch ist.“ Dies könne die Behörde mit ihren Mitteln nicht leisten. Überdies sei offen, ob eine solche Beurteilung im Nachhinein überhaupt möglich sei. Damit hat der Rechnungshof all jene enttäuscht, die die letzte offene Frage des Aktienkaufs beantwortet haben wollten: Waren 41,50 Euro pro Anteilsschein einschließlich aller Zuschläge der korrekte Preis, wie ihn ähnlich auch die Landesbank in ihren Expertisen umschreibt? Oder war es „mehr als üppig“, wie Dirk Notheis, der Investmentbanker und Berater von Mappus, in einer E-Mail schrieb? Immerhin die Hälfte der Aktionäre glaubt, dass das Geschäft zu einem sinnvollen Preis abgewickelt wurde. Für die andere Hälfte der Aktionäre soll das von Baden-Württembergs Finanzminister Nils Schmid (SPD) angerufene Schiedsgericht in Genf seine Expertise abgeben. Das Land und der französische Staatskonzern Electricité de France (EdF), dem die EnBW-Anteile abgekauft worden waren, hatten vertraglich vereinbart, Streitfragen vor der internationalen Handelskammer (ICC) mit Sitz in Paris auszutragen. Gerichtsort ist allerdings Genf. Finanzminister Schmid hatte Ende März Klage eingereicht mit dem Ziel, den Kaufpreis um bis zu zwei Milliarden Euro zu mindern. Hilfsweise soll der Vertrag rückgängig gemacht oder für nichtig erklärt werden. Wann ein Urteil fällt, ist ungewiss.

Der Passus des Rechnungshofes zum Kaufpreis lässt unterschiedliche Bewertungen aus allen politischen Lagern zu. Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) hält die Schiedsklage nun erst recht für angemessen, da das Gutachten alle anderen Begleitumstände negativ wertet. CDU-Fraktionsvize Volker Schebesta, Obmann der Union im Landtags-Untersuchungsausschuss, der das Gutachten des Rechnungshofs grundsätzlich begrüßt, sieht es anders: „Dass der Rechnungshof den Kaufpreis nicht als zu hoch einschätzt, ist ein harter Schlag ins Kontor des Finanzministers.“ Die Klage entbehre damit der Grundlage. Er fordert Schmid erneut auf, sie zurückzunehmen.

Der Rechnungshof verneint unter anderem ein wichtiges Landesinteresse im Sinne der Haushaltsordnung, die besagt, dass sich der Staat nur dann an einem Unternehmen beteiligen darf, wenn der angestrebte Zweck nicht anders erreichbar ist. Strom gehört nicht dazu. Auch bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung werden Defizite festgestellt: Angesichts des Volumens von rund 4,7 Milliarden Euro fehlte es sowohl an Zeit, an Informationen und an gründlicher Abwägung von Sach- und Rechtsfragen. Weiter monieren die Prüfer die Geheimhaltung, die späte Einschaltung des Finanzministers, der über einen Notparagrafen den Weg am Parlament vorbei ebnete, und Mängel im Kaufvertrag, etwa zur Fälligkeit des Kaufpreises. Zweifelhaft sei schließlich, ob das Honorar von 12,8 Millionen Euro vor Steuern wirtschaftlich war. Die Prüfer unterstellen der Investmentbank Morgan Stanley „ein massives objektives Interesse am Zustandekommen des Kaufvertrages und an einem hohen Preis“. Schließlich sei nicht nachvollziehbar, warum offene Fragen nicht durch die Experten der Ministerien, sondern durch die externe Rechtsanwaltskanzlei Gleiss Lutz erfolgten.

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