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Politik: Subventionen - aber bitte öko

Es ist wieder Ruhe auf dem Land. Nachdem zu Beginn des vergangenen Jahres erst der Rinderwahn und dann die Maul- und Klauenseuche über die Bauern kam, übernahm heute vor einem Jahr Renate Künast (Grüne) das Agrarressort.

Es ist wieder Ruhe auf dem Land. Nachdem zu Beginn des vergangenen Jahres erst der Rinderwahn und dann die Maul- und Klauenseuche über die Bauern kam, übernahm heute vor einem Jahr Renate Künast (Grüne) das Agrarressort. Die Landwirte fürchteten das Schlimmste. Ein Jahr später liegt der Verbrauch beim Rindfleisch wieder auf etwa 90 Prozent des Vor-BSE-Niveaus. Die Bauern haben im Wirtschaftsjahr 2000/2001 ein Einkommensplus von 13,5 Prozent erzielt. Und die angekündigte Agrarwende ist in vollem Gang.

Die wirkungsvollste Reform verbirgt sich hinter zwei abstrakten Begriffen: Modulation und Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK). Die Modulation beginnt zwar erst 2003. Sie zeigt jedoch einen Systemwechsel an. Die EU-Zuschüsse, die direkt an die Bauern ausgezahlt werden, dürfen von den Nationalstaaten gekürzt werden. In Deutschland sind das vom kommenden Jahr an zwei Prozent der Gesamtsumme. Werden diese Mittel mit einer nationalen Kofinanzierung versehen, dürfen sie in Agrarumwelt-Projekte investiert werden.

Schon in diesem Jahr werden jedoch die Mittel der GAK, rund 3,3 Milliarden Euro, in andere Kanäle fließen. Statt den Landstraßenbau oder Flurbereinigung zu subventionieren, wird das Geld aus der GAK künftig beispielsweise für Vermarktungsprojekte ausgegeben. Das kommt konventionellen Regionalvermarktern ebenso zu Gute wie ökologisch erzeugenden Höfen. Ein weiterer Schwerpunkt der GAK liegt künftig bei der Förderung tiergerechter Stallbauten. Dazu passt auch das Förderprogramm Ökologischer Landbau, das Künast zum Jahresbeginn aufgelegt hat, mit dem sie ihrem Ziel einer Verdoppelung der Produktion bis 2005 näher kommen will. In den Jahren 2002 und 2003 stehen dafür jeweils 35 Millionen Euro zur Verfügung.

Neu sind auch zwei Siegel, die Verbrauchern ihren Einkauf leichter machen sollen. Das Biosiegel garantiert den Kunden ökologisch erzeugte Produkte. Und das neue Qualitätssiegel (QS) für Fleisch macht die Kette vom Stall bis zur Ladentheke lückenlos nachvollziehbar. Dieses Siegel wird nur erteilt, wenn die Tiere auf dem Transport zum Schlachthof weniger als vier Stunden unterwegs waren, und wenn auf Antibiotika im Futter verzichtet wurde. Im Gegensatz zur Legehennen-Verordnung, die die Käfighaltung von Hühnern verbietet, ist das QS kein Gesetz sondern eine freiwillige Vereinbarung von Bauern und Schlachtgewerbe.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen bewertet das erste Jahr von Agraministerin Renate Künast zurückhaltend. "Es gibt viel Licht und viel Schatten", sagte Franz-Georg Rips, der Vorsitzende des Verwaltungsausschusses der Verbraucherzentralen am Mittwoch in Berlin. Rips lobte vor allem die Agrarpolitik. Der Ernährungsexperte der Verbraucherzentrale, Thomas Isenberg, bemängelte jedoch: "Es gibt viele Baustellen, wo wir uns mehr Tempo erhofft hätten." So gebe es noch immer keine Positivliste für Futtermittel. Die Liste der Risikomaterialien aus der Schlachtung müsse erweitert werden, und auch die Gabe von Antibiotika müsse neu geregelt werden. "Die Liste unserer Forderungen ist lang, aber es war auch nur ein Jahr Zeit", sagte Isenberg. Was bisher fehle, sei ein umfassendes Verbraucherschutzkonzept, das über die Lebensmittelsicherheit hinausgehe.

Der Deutsche Bauernverband (DBV) dagegen hat die Agrarpolitik von Renate Künast scharf kritisiert. "Wir wehren uns gegen eine rein ideologisch begründete Agrarwende", sagte Bauernpräsident Gerd Sonnleitner am Mittwoch in Berlin kurz vor Beginn der internationalen Agrarmesse "Grüne Woche". Die Politik der Bundesregierung sei eine Diffamierung der konventionellen Landwirtschaft, die ebenfalls umweltverträglich, nachhaltig und sicher produzieren müsse, sagte Sonnleitner. Der Bauernpräsident forderte eine neue Wende in der Agrarpolitik - zurück zur konventionellen Landwirtschaft.

Sonnleitner warnte auch vor zu strengen nationalen Agrarvorschriften. Einseitige Verschärfungen der nationalen Gesetzgebung würden zu einer Bedrohung der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft. Künast warf er vor, mit "häufig völlig fachfremden, aber kostenaufwändigen Beschränkungen" die Entwicklung der deutschen Landwirtschaft zu hemmen. Schon jetzt, sagte der Bauernpräsident, zeichne sich eine regelrechte Investitionsblockade der Landwirte ab. Diesen Vorwurf weist das Landwirtschaftsministerium zurück. Schließlich investierten die Bauern im Wirtschaftsjahr 2000/2001 auch nicht weniger als vor zwei Jahren. Im Vorjahr allerdings hatten sie doppelt so viel investiert. Das liege jedoch in der "normalen Schwankungsbreite" bei den Investitionen, sagte ein Sprecher des Ministeriums dem Tagesspiegel.

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