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Suche nach dem neuen Präsidenten: Ein Kandidat nach dem anderen scheidet aus

Angeblich ergebnisoffen haben die Hinterzimmergespräche zur Wulff-Nachfolge begonnen. Es gibt zahlreiche potenzielle Staatsoberhäupter – doch die meisten scheiden rasch auch wieder aus.

Von
  • Antje Sirleschtov
  • Robert Birnbaum

Berlin - Wenn auf dem Jahrmarkt ein neues Spaßgerät in Betrieb gehen soll, dann muss die Maschine vorher zum TÜV. Das Kandidaten-Karussell, das der politische Betrieb ab und an aus der Abstellkammer holt, würde eine Prüfung durch die strengen Kontrolleure nie überstehen. Es dient nämlich ausschließlich dem Zweck, seine Insassen einen nach dem anderen herauszuschleudern, wobei Dellen und Blessuren billigend in Kauf genommen werden. Seit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag angekündigt hat, dass sie den nächsten Bundespräsidenten gerne im Konsens mit SPD und Grünen wählen lassen würde, nimmt das Gerät zusehends Fahrt auf.

Denn natürlich wird es so richtig nichts mit hehren Vorsätzen, dass alle Seiten sich ohne Vorbedingungen auf die Suche nach dem (oder der) Würdigsten in der Nachfolge des zurückgetretenen Christian Wulff machen. Bei aller staatsmännischen Redeweise sind alle Beteiligten peinlich genau darauf bedacht, dass sie als Handelnde erscheinen und nicht nur als Mitgeschleppte. Der Eindruck aber lässt sich allemal am besten vermitteln, wenn man vorprescht.

Peter Altmaier immerhin versucht sich am Samstag früh noch einmal als Bremser. Die Koalition, versichert der Fraktionsgeschäftsführer der Union im Deutschlandfunk, wünsche sich „ergebnisoffene Gespräche ohne Vorbedingungen“. Denn erstens, rechnet Altmaier vor, hat zwar die schwarz-gelbe Koalition in der nächsten Bundesversammlung keine komfortable Mehrheit – aber die Opposition sei davon noch viel weiter entfernt. Zweitens aber, fährt Altmaier fort, habe sich vor zwei Jahren ja gezeigt, was herauskomme, wenn eine Seite der anderen einen Kandidaten quasi zu diktieren versuche. Damals hätten Grüne und SPD Joachim Gauck derart offensiv als Kandidaten vorgeschlagen, dass ein Konsens von vornherein ausgeschlossen gewesen sei. Insofern, warnt der CDU-Politiker, mache ihn „das eine oder andere“ schon besorgt, was er gehört habe.

Das eine oder andere hat Frank-Walter Steinmeier in die Debatte gestreut. Der SPD-Fraktionschef trat am Freitagabend im ARD-„Brennpunkt“ in gelindem Kampfmodus auf. Ganz so schnell will der Oppositionsführer dann doch nicht vergessen lassen, dass Merkel ihren Kandidaten Wulff seinerzeit durch drei Zitter-Wahlgänge gegen die Opposition durchgeboxt hat. Außerdem will er für die eigene Seite schon mal Stärke demonstrieren. „Wenn wir uns verständigen wollen, dann kann das kein Mitglied des Kabinetts sein“, legte Steinmeier also fest.

Damit flogen auf einen Schlag etliche von denen runter vom Karussell, die Parteivertreter und Redaktionen versuchsweise dorthin gesetzt hatten: Thomas de Maizière, Wolfgang Schäuble, Ursula von der Leyen. In größere Verlegenheit stürzte das die Koalitionäre noch nicht. Der Verteidigungsminister hat von sich aus abgesagt, der Finanzminister hatte schon vor zwei Jahren abgewunken und die Arbeitsministerin war sowieso nur auf dem Karussell, weil sie dort 2010 schon einmal selbst aufgesprungen war. „Diese Bedingung“, fand ein Koalitionär, „können wir preiswert erfüllen.“ Die zweite Vorfestlegung war von der SPD erkennbar nicht bitter ernst gemeint: Natürlich komme ihr damaliger Kandidat Joachim Gauck auch weiter infrage, versicherte Steinmeier; SPD-Chef Sigmar Gabriel bezeichnete den Ex-Bürgerrechtler sogar als „Favorit“ seiner Partei. Aber beide SPD-Spitzenleute versicherten im gleichen Atemzug, auf Gauck bestehen würden sie nicht.

Einfach waren die Gespräche nicht.

Um die Zeit war das Kandidatenkarussell in der Koalition intern längst auf Touren. Die drei Parteichefs – Merkel, Horst Seehofer und Philipp Rösler – saßen bis elf Uhr nachts im Kanzleramt zusammen. Am Morgen drauf traf sich die Runde wieder, diesmal verstärkt um die Spitzen der Fraktion.

Einfach, so viel war zu hören, waren die Gespräche nicht. Denn vor allem die FDP achtete eifersüchtig darauf, dass am Ende der Konsenssuche nicht einer steht, der erkennbar gegen den Willen des schwächelnden Dritten im Koalitionsbund zustande kam. Also etwa einer wie Klaus Töpfer, der frühere CDU-Umweltminister – ein allzu klares Blinken in Richtung Grüne für freidemokratischen Geschmack. Trotzdem vermerkten Teilnehmer am Samstagvormittag zufriedene Gesichter, als die Koalitionsspitzen nach nur zwei Stunden wieder auseinandergingen. Schon war die Rede davon, man könne sich am Samstag mit Rot-Grün zusammentun. Später wurde ein Treffen für Sonntagabend avisiert.

Doch ganz so schnell geht es eher nicht. Denn die Koalition fing sich Absagen ein. Als erster am Samstag sagte Norbert Lammert Nein. Merkel hatte den Bundestagspräsidenten schon vor zwei Jahren gefragt, ob er sich den Wechsel ins Schloss Bellevue vorstellen könnte. Lammert mochte nicht, und er mochte auch jetzt wieder nicht. Daraufhin nahmen CDU, CSU und FDP Andreas Voßkuhle in die engste Wahl, den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts. Der 48-jährige Jurist wäre auch für die SPD ein gutes Angebot gewesen, hatte sie ihn doch 2008 nach Karlsruhe befördert. Doch Voßkuhle sagte nach einiger Bedenkzeit ebenfalls ab.

Damit, sagt ein Koalitionär, „geht es für uns erst mal wieder in eine interne Runde“. Auf dem koalitionären Karussell, das auch SPD und Grünen zu vermitteln wäre, ist es nun nämlich ziemlich leer geworden. Gauck ist nach wie vor an Bord. Der einstige DDR-Bürgerrechtler, damals wie heute in vielen Umfragen auch ein Favorit der Bürger, wäre für die FDP jedenfalls kein Problem. Er hat dort ja sogar eine Reihe offener Anhänger. Aber vor allem für die CDU käme es einer argen Demütigung gleich, den Mann zu wählen, den sie vor zwei Jahren zugunsten ihres Parteigängers Wulff durchfallen ließ.

Auch Töpfer bleibt vorerst noch dabei. Doch ein Mann im Schloss Bellevue, der von früh bis spät die zügige Vollendung der Energiewende anmahnt, ist besonders für Rösler eine ziemlich grauslige Vorstellung. Der Wirtschaftsminister muss sich für seinen Geschmack schon genug mit Töpfers heutigem Nachfolger Norbert Röttgen herumschlagen. Ein dritter Kandidat ist im Gespräch, auf den bisher niemand getippt hatte: Wolfgang Huber, der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Der wortgewandte und Talkshow-erprobte Theologe war schon vor zwei Jahren hier und da als überparteilicher Kandidat genannt worden. Er ist ein Grenzgänger zwischen Kirche und Politik: Huber hatte sich 1993 für das Bischofsamt in Berlin-Brandenburg entschieden statt für eine Bundestagskandidatur für die SPD. Seither ist er parteilos. Doch Huber macht den Liberalen Bauchschmerzen. Immerhin erfüllt er aber passgenau ein ganz neues Kriterium, das SPD-Chef Gabriel am Samstag in die Debatte einführte: Der Kandidat sollte möglichst „kein aktiver Politiker einer Partei“ sein.

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