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Politik: Sündenfall der Freiheitlichen

Von Paul Kreiner, Wien Der Ruf der „alten“ FPÖ beruhte darauf, dass der junge Jörg Haider ungeniert die politischen Missstände in Österreich angeprangert hat: die Privilegien, die sich die Partner der praktisch verbeamteten Großen Koalition gegenseitig zugestanden, den Postenschacher, das teure Belohnen verdienter Genossen mit lukrativen Repräsentationsjobs. „Der Jörg, der traut sich was“, murmelte das Publikum, und Haider versicherte, niemals würden die Freiheitlichen den Staat als Selbstbedienungsladen missbrauchen.

Von Paul Kreiner, Wien

Der Ruf der „alten“ FPÖ beruhte darauf, dass der junge Jörg Haider ungeniert die politischen Missstände in Österreich angeprangert hat: die Privilegien, die sich die Partner der praktisch verbeamteten Großen Koalition gegenseitig zugestanden, den Postenschacher, das teure Belohnen verdienter Genossen mit lukrativen Repräsentationsjobs. „Der Jörg, der traut sich was“, murmelte das Publikum, und Haider versicherte, niemals würden die Freiheitlichen den Staat als Selbstbedienungsladen missbrauchen.

Nun ist die FPÖ an der Macht – und es ist das eingetreten, was sogar Haider als „Sündenfall“ bezeichnet. Es geht um den Sozialsprecher der Partei, um Reinhart Gaugg, einen von Haiders treuesten Parteifreunden, der die Stammtische mit seiner ganz persönlichen Interpretationsweise zum Johlen brachte. Das Wort „Nazi“ leitete Gaugg von den Anfangsbuchstaben der Begriffe „neu, attraktiv, zielstrebig und ideenreich" ab.

Nun soll Gaugg auf einen Chefsessel bei der Rentenversicherung gehievt werden. FPÖ-Leute preisen seine fachliche Qualifikation – klar ist aber auch, dass die Besetzung innerhalb der Koalition aus FPÖ und ÖVP ausgehandelt wurde; Postenschacher klassisch. Gaugg forderte zudem einen „Sondervertrag“: Unkündbarkeit vom ersten Tag an, höheres Gehalt als üblich, man sollte ihm die vorgeschriebene Fachprüfung zu Fragen der Sozialversicherung erlassen. Außerdem wollte er sein Parlamentsmandat behalten.

Es folgte ein Lehrstück über die Machtverhältnisse in der FPÖ. Peter Westenthaler, der Fraktionschef, forderte Gaugg zur Abgabe des Parlamentsmandats auf, auch Parteichefin Susanne Riess-Passer drängte – doch Gaugg wollte nicht. Dann schaltete sich jemand ein, der offiziell gar kein Parteiamt hat. „Der Kollege geht mir langsam auf die Nerven“, sagte Haider. Und Gaugg fügte sich.

Die Tricksereien aber gingen weiter. Es wurde bekannt, dass Gaugg bei der Rentenversicherung weniger Gehalt bekommen und dafür seinen Parlamentssitz behalten sollte. Mit dem Segen der FPÖ. Doch im Vorstand der Pensionsversicherung blitzte Gaugg ab. Mit einer Stimme Mehrheit wurde sein Vertragsentwurf abgelehnt; es steht fest, dass diese Stimme aus dem Lager der Koalition gekommen ist. Dies löste am Freitag einen neuen Koalitionsstreit aus. Haider sprach von einer „Sauerei“.

Beobachter sind sich einig: Jede Koalitionspartei sucht nach einer Absprungbasis; den Dementis zum Trotz gilt als sicher, dass die Parlamentswahlen vom Herbst 2003 auf das Frühjahr vorgezogen werden. Damit dürfte der Wahlkampf nach den Ferien endgültig ausbrechen. Der FPÖ, sagen Meinungsforscher, kommt der Termin wegen der Affäre ungelegen. Werner Beutelmeyer vom Market-Institut sagt, die „Kernglaubwürdigkeit“ der Freiheitlichen sei angekratzt, den „Kampf gegen Vetternwirtschaft und Postenschacher“ nehme man ihr nicht mehr ab. In den Umfragen liegt die FPÖ bis zu sieben Prozentpunkte unter ihrem Ergebnis von 1999.

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