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Politik: Suppenküchen statt Rechtsansprüche? Diakonie: Hilfsverweigerung für Wohnungslose darf sich nicht lohnen

Bevor es richtig kalt wird, schlagen die Sozialverbände Alarm. Um bis zu 20 Prozent werde die Zahl der Obdachlosen in diesem Jahr gestiegen sein, prophezeit Wolfgang Gern, der Vorsitzende der Evangelischen Obdachlosenhilfe.

Bevor es richtig kalt wird, schlagen die Sozialverbände Alarm. Um bis zu 20 Prozent werde die Zahl der Obdachlosen in diesem Jahr gestiegen sein, prophezeit Wolfgang Gern, der Vorsitzende der Evangelischen Obdachlosenhilfe. Der Altersdurchschnitt liegt bei 38 Jahren (vor zehn Jahren: über 50), ein Viertel ist unter 25. Und der Frauenanteil ist nach Angaben von Diakoniepräsident Jürgen Gohde „dramatisch“ gestiegen: Knapp ein Viertel der Hilfesuchenden sei inzwischen weiblich. 400 000 Menschen haben keine feste Bleibe, 20 000 leben auf der Straße. Deutschland befinde sich „auf dem Weg zu amerikanischen Verhältnissen“, sagt Gern.

Die Gründe sind vielschichtig. Neben dem Arbeitsmarkt und anziehenden Wohnungspreisen nennen die Experten die immer frühzeitigere Entlassung aus der Psychiatrie und restriktivere Jugendhilfe. Gern spricht aber auch von „systematischen Rechtsbrüchen“: Obdachlose erhielten die ihnen zustehenden Tagessätze und Notübernachtungen vielerorts nur noch für drei Tage. Und Mietkautionen würden rechtswidrig mit Sozialhilfe verrechnet. Ziel des Ganzen: Wohnungslose zum Weiterziehen zu bewegen und Geld zu sparen. Wenn bestehende Netze nicht erhalten bleiben, „bekommen wir Suppenküchen an Stelle von Rechtsansprüchen“, warnt der Diakonie-Präsident. Die Sozialreformen gefährdeten diese Netze. Gohdes Kompromiss-Vorschlag: Die Kommunen müssten weiter für Obdachlose zuständig bleiben, die Kosten aber überörtlich verrechnen können. „Dann lohnt sich Vertreibung nicht mehr.“

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