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US-Präsident Donald Trump bei seiner "Make America Great Again"-Ralley in Southaven, Mississippi.

© MANDEL NGAN/AFP

Supreme Court der USA: Wie Trump den Fall Kavanaugh für die Kongresswahl benutzt

Der Streit um den Richterkandidaten hat das Potenzial, die republikanischen Wähler für die Abstimmung in vier Wochen zu mobilisieren.

Vor seinen Anhängern läuft Donald Trump regelmäßig zur Hochform auf. Mag der US-Präsident in der Hauptstadt Washington den gemäßigten Ton treffen, sich wie am vergangenen Freitag auch mal richtiggehend staatsmännisch äußern: Bei seinen Wählern lässt er die Sau raus. Und die lieben das.

Zu beobachten ist das einmal mehr bei einer seiner berühmt-berüchtigten Wahlkampfveranstaltungen, einer "Make America Great Again"-Rallye, am Dienstagabend in Southaven im Bundesstaat Mississippi. Da steht er vor seinen Anhängern, hinter ihm sind viele Frauen zu sehen, manche mit pinkfarbenen "Women for Trump"-Schildern, und gibt den derben Komiker. Er verspottet die Frau, die es gewagt hat, seinen Kandidaten für das Oberste Gericht, Brett Kavanaugh, der versuchten Vergewaltigung zu bezichtigen.

Weil die Psychologieprofessorin Christine Blasey Ford bei der Anhörung vor dem Justizausschuss des US-Senats ausgesagt hat, sich nicht an alle Details aus der fraglichen Nacht vor 36 Jahren erinnern zu können, äfft er sie nach: "Wie sind Sie nach Hause gekommen? Ich erinnere mich nicht. Wie sind Sie dorthin gekommen? Ich erinnere mich nicht. Wo war der Ort? Ich erinnere mich nicht. Wie viele Jahre ist es her? Ich weiß nicht, ich weiß nicht, ich weiß nicht, ich weiß nicht." Die Anhänger lachen und jubeln bei dieser Show. "Aber ich habe ein Bier getrunken. Das ist das Einzige, woran ich mich erinnere. Und das Leben eines Mannes ist ruiniert." Gleichzeitig beschwert sich Trump, dass Männer gefeuert würden, weil sie fälschlicherweise beschuldigt würden, Frauen belästigt zu haben. Am Freitag hatte der Präsident Ford noch als "anständige Frau" und glaubwürdige Zeugin bezeichnet.

Trump agiert widersprüchlich - dahinter steckt eine Strategie

Hinter diesen widersprüchlichen Auftritten steckt eine klare Strategie. Der Fall Kavanaugh hat das Potenzial, die republikanischen Wähler, die sich gerne über aus ihrer Sicht falsche politische Korrektheit aufregen, für die Kongresswahl in gut vier Wochen zu mobilisieren. Das Thema Kavanaugh sei enorm wichtig und elektrisiere die Basis, bestätigt Carroll Doherty, Direktor für politische Forschung am Pew Research Center in Washington. Im März ermittelte Pew in einer Umfrage, dass 34 Prozent der männlichen Republikaner der Meinung sind, dass Frauen, die Männern fälschlicherweise sexuelle Belästigung vorwerfen, ein großes Problem bei der Arbeit seien. Nur 21 Prozent von ihnen nannten die Tatsache, dass vielen Frauen nicht geglaubt werde, ein großes Problem.

Ein weiterer Anhaltspunkt: In einer Pew-Umfrage von Ende September bezeichnete eine große Mehrheit beider Parteien die Besetzung des Supreme Court als sehr wichtig: Bei den Republikaner waren es 72 Prozent der Befragten, bei den Demokraten sogar 81 Prozent. Viel mehr als etwa das Thema Wirtschaft beschäftigt offenbar die Zusammensetzung des Obersten Gerichts die Amerikaner. Verständlich, wenn man bedenkt, dass der Supreme Court in vielen wichtigen politischen und gesellschaftlichen Fragen das letzte Wort hat – zum Beispiel bei Themen wie Abtreibung, Einwanderung oder Waffenbesitz, wo sich die Spaltung des Landes ganz besonders zeigt. Die Republikaner hoffen, dass das Gericht mit Kavanaugh auf lange Zeit deutlich konservativer wird, die Demokraten wiederum fürchten genau das.

Republikaner unterstellen eine Kampagne hinter den Anschuldigungen gegen Kavanaugh

Die Wahlforscherin Molly O'Rourke von der American University in Washington bestätigt ebenfalls, dass die Debatte um Kavanaugh auch die Republikaner aufrege. Viele unterstellen den Demokraten eine politische Kampagne, um Trump eine Niederlage zuzufügen. Allerdings sei es schwierig vorherzusagen, ob das Thema die republikanischen Wähler am Ende auch an die Urne treibe, sagt O'Rourke. "Bislang hatten die Demokraten den Motivationsvorteil." Trump wird darauf setzen, dass sich das ändert. Sein Auftritt in Mississippi zeigt das bereits.

Andererseits läuft der Präsident auch Gefahr, die Gemäßigten in seiner Partei vor den Kopf zu stoßen. Die drei Republikaner, die als Wackelkandidaten bei der Nominierung von Kavanaugh gelten - Lisa Murkowski (Alaska), Susan Collins (Maine) und Jeff Flake (Arizona) -, haben Trumps Auftritt am Mittwoch bereits kritisiert. Murkowski sagte vor Journalisten: "Ich schaue mir alles genau an. Die gestrigen Kommentare des Präsidenten, mit denen er sich über Dr. Ford lustig gemacht hat, waren gänzlich unangemessen und aus meiner Sicht inakzeptabel." Collins nannte den Auftritt "schlicht falsch". Flake sagte im Sender NBC, "so etwas Sensibles auf einer Wahlkampfveranstaltung zu thematisieren, ist einfach nicht richtig". Er wünschte, Trump hätte das nicht getan, es sei erschreckend. Allerdings sagte Flake auch, die Worte des Präsidenten hätten auf seine Entscheidung keine Auswirkung. Er will die abwarten, was die FBI-Untersuchung ergibt.

Ford wirft Kavanaugh vor, 1982 auf einer Teenagerparty versucht zu haben, sie zu vergewaltigen. Er bestreitet das. Allerdings haben zwei weitere Frauen ähnliche Vorwürfe gegen den Juristen während seiner Highschool- und Studienzeit erhoben. Der Justizausschuss hatte Kavanaughs Ernennung am Freitag mit der knappen Mehrheit der republikanischen Senatoren zugestimmt. Zugleich forderte er eine erneute FBI-Untersuchung, die bis Freitag abgeschlossen sein soll. Der Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, sagte, das Senatsplenum werde in dieser Woche über Kavanaugh abstimmen. Die Republikaner haben dort nur eine sehr knappe Mehrheit von 51 zu 49 Stimmen. Schon zwei Abweichler würden genügen.

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