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Auf Stimmenfang. Der Plan der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei hat zuletzt immer mehr Zuspruch erhalten. Umfragen zufolge sollen bereits 43 Prozent der Wahlberechtigten dafür sein.

© dpa

SVP macht gegen „Masseneinwanderung“ mobil: Die Schweiz den Schweizern

Die rechtsnationale Partei SVP fordert einen Stopp der „Masseneinwanderung“. Am Sonntag stimmen die Eidgenossen über die Initiative ab, die sich vor allem gegen Deutsche richtet.

Die Berlinerin Renate Schwarzer ist eine von 300.000 Deutschen. So viele Menschen aus dem Nachbarland leben in der Schweiz. Und Renate Schwarzer hat wie viele ihrer Landsleute eine klare Meinung, wenn die Sprache auf die jüngste Initiative der Schweizerischen Volkspartei (SVP) kommt. „Wenn ich lese, was die wollen und was die schreiben, dann wird mir schlecht“, sagt sie. „Purer Populismus ist das.“ Aber was will die SVP?

Sie will die „Masseneinwanderung“ in das kleine, reiche Land mitten in Europa stoppen. Um ihr Ziel zu erreichen, setzte die rechtsnationale Partei um den Zürcher Milliardär Christoph Blocher eine Volksabstimmung durch. Am Sonntag entscheiden die Eidgenossen über den SVP-Plan. Und Umfragen zufolge erhalten die Nationalkonservativen immer mehr Zuspruch. Zuletzt wollten 43 Prozent der Stimmberechtigten die Initiative annehmen.

Für Deutsche soll es ein Kontingent geben

Die SVP dringt darauf, den Zustrom der Fremden mit Höchstzahlen und Kontingenten einzudämmen. Die Obergrenzen sollen für Arbeitssuchende, Flüchtlinge und auch Studenten gelten. Der Plan richtet sich vor allem gegen EU-Bürger: Bern müsste mit Brüssel das bestehende Abkommen über die Freizügigkeit neu verhandeln. Im Klartext: Deutsche dürfen nur noch dann in das Nicht-EU-Land Schweiz ziehen, wenn sie einen Platz im Kontingent ergattern.

Im Abstimmungskampf setzt die SVP auf ihre alten Parolen, die sie zur stärksten Partei Helvetiens gemacht haben: Die Schweiz den Schweizern. Das Boot ist voll. Weit über 100 000 fremde Zuwanderer pro Jahr bei einer Gesamtbevölkerung von acht Millionen – das sei zu viel. In ihren Broschüren listet die SVP all die Übel auf, für die sie die Ausländer verantwortlich macht: „Zunehmende Arbeitslosigkeit, überfüllte Züge, verstopfte Straßen, steigende Mieten, Verlust von wertvollem Kulturland durch Verbauung der Landschaft, Lohndruck, Ausländerkriminalität, Asylmissbrauch.“

Mit Vorliebe zielen SVP-Politiker auf die vielen deutschen Zuwanderer. Kurz nach dem Absturz eines Jets der Schweizer Luftwaffe im vorigen Jahr twitterte Christoph Mörgeli: „Warum fliegen Deutsche in unseren F/A-18? Warum arbeiten Deutsche als Fliegerärzte der Schweizer Armee? Sorry, hier hat's einfach Grenzen!“ Bei dem Unglück war ein deutscher Mediziner umgekommen, der in Diensten der Schweizer Lufttruppe stand.

Wie hoch stehen die Chancen der SVP?

Tatsächlich bilden die Deutschen zusammen mit den Italienern die größte Einwanderungsgruppe aus der EU. Sie arbeiten als Ärzte, Wissenschaftler, Manager, sie füllen die Lücken bei der Pflege, in Hotels und Restaurants. Viele Deutsche klagen aber auch über die soziale Kälte der Eidgenossen, über Ausgrenzung, Mobbing. „Auch ich musste unter offenem Mobbing leiden. Weil ich Deutsche bin“, sagt die Berlinerin Renate Schwarzer, die im Kanton Bern lebt. Am Arbeitsplatz hätten Kollegen gepöbelt: „Was willst du hier in unserem Land? Mach dass du wegkommst.“

Doch die Regierung, fast alle anderen Parteien und die Wirtschaftsverbände wollen von Fremdenfeindlichkeit nichts wissen. Sie lehnen die Initiative der SVP ab. Der Plan verschärfe den „Personalmangel in Spitälern, Industrie und Tourismus“, warnt ein überparteilicher Verbund von SVP-Gegnern. Das SVP-Konzept spiele „Asylbewerber gegen deutsche Ingenieure und Ärzte aus“.

Die SVP-Forderung, das Freizügigkeitsabkommen neu zu verhandeln, würde darüber hinaus die Beziehung der Schweiz zur EU arg belasten. „Es müssten sämtliche 28 EU-Staaten einverstanden sein, der Schweiz in einer Kernfrage eine Sonderregelung zu gewähren“, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga. „Ich überlasse es den Stimmbürgern, zu beurteilen, wie realistisch das ist.“

Jan Dirk Herbermann

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