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Swift-Abkommen: Die Angst vor den Daten

Bankdaten europäischer Bürger werden ab 1. August zur Terrorabwehr wieder an die US-Behörden übermittelt. Die EU soll ein eigenes System zur Auswertung bekommen.

Bankdaten europäischer Bürger werden ab 1. August zur Terrorabwehr wieder an die US-Behörden übermittelt. Ein entsprechendes Abkommen fand am Donnerstag im zweiten Anlauf im Europaparlament eine große Mehrheit von 484 Abgeordneten, darunter vor allem Christdemokraten, Sozialisten und Liberale. 109 Abgeordnete, in erster Linie Grüne und Linke, lehnten die sogenannte Swift-Vereinbarung ab.

Nachdem die Europaabgeordneten das Abkommen noch im Februar gekippt hatten, konnten sie nun einige Verbesserungen beim Datenschutz erreichen. Der deutsche Abgeordnete Alexander Alvaro sprach von einem „parlamentarischen Erfolg“. Man habe 90 Prozent der Forderungen durchgesetzt, sagte der FDP-Parlamentarier.

Wenn die US-Ermittler künftig aufgrund eines Verdachtes europäische Bankdaten – Name, Adresse, Empfänger und Höhe einer Banküberweisung – anfragen, wird die europäische Polizeibehörde Europol eingeschaltet. So soll überprüft werden, ob die Anfrage überhaupt berechtigt ist. Ist das der Fall, muss das in einem Brüsseler Vorort ansässige Unternehmen Swift, über das Finanztransaktionen in Europa abgewickelt werden, die von der US-Seite angeforderten Bankdaten herausrücken. Bei der Auswertung durch die US-Behörden wird ein von der EU-Kommission ernannter Beamter mit am Tisch sitzen, der den korrekten Umgang mit der großen Datenmenge überwachen soll. „Wir haben wahrscheinlich“, sagt der Liberale Alvaro, „einen der langweiligsten Job der Welt geschaffen.“

Mit dieser Aufgabe dürfte viel Arbeit verbunden sein, weil in der Praxis große Datenmengen in die USA übermittelt werden. Das liegt einerseits daran, dass das Unternehmen Swift aus technischen Gründen nicht in der Lage ist, einzelne Daten zu identifizieren. Andererseits betreffen die Anfragen oft nicht gezielt Personen, sondern es werden Hinweise auf Orte oder andere Merkmale gegeben.

Der CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber wollte denn auch nicht verhehlen, dass auch das neue Swift-Abkommen angesichts der massenhaften Übermittlung von Daten immer noch „Schwachstellen“ aufweist. Dazu zählte er außerdem, dass Bankdaten auch unbescholtener Bürger bis zu fünf Jahre in den USA gespeichert bleiben können – eine Dauer, die etwa das Bundesverfassungsgericht im Falle der Vorratsdatenspeicherung für unzulässig gehalten hat. Auch hat das Europaparlament kein formelles Klagerecht für die EU-Bürger in den USA durchsetzen können. Eine Löschung ihrer Kontodaten können sie höchstens indirekt über einen Datenschutzbeauftragten erwirken.

Warum auch die Christdemokraten trotzdem zustimmten, erklärte Weber einerseits mit der Notwendigkeit der Terrorabwehr. Zum anderen sei nun der Aufbau eines eigenen europäischen Programms zum Aufspüren von Finanztransaktionen mit terroristischem Hintergrund vereinbart worden, sagte er. Die EU-Kommission hat zugesagt, die Machbarkeit und vor allem die Kosten zu prüfen sowie 2011 einen entsprechenden Gesetzesvorschlag zu präsentieren. Dies, so Weber, sei der „wichtigste Erfolg“. Denn Europas Innenminister hätten es sich in der Vergangenheit „zu einfach gemacht“ und europäische Sicherheitsmaßnahmen „outgesourct“. Ein eigenes europäisches System, das vermutlich von Europol betrieben werden würde, mache den Datentransfer in die USA eines Tages überflüssig und die neue Swift-Vereinbarung zu einem Übergangsabkommen.

Die Grünen kritisieren im Prinzip dieselben Punkte, ziehen jedoch ganz andere Schlüsse daraus. Ihr zuständiger Abgeordneter Jan Philipp Albrecht sieht im Vergleich zum abgelehnten Abkommen im Februar „in der Substanz keinen Fortschritt“. Das Parlament habe sein Engagement für einen besseren Schutz der Grundrechte „viel zu früh aufgegeben“.

Eines stört die Grünen besonders: „Dass aus dem Richtervorbehalt Europol wird, ist an sich schon ein Skandal“, sagt die Fraktionsvorsitzende Rebecca Harms. Eine solche Entscheidungsdistanz sei „wohl auch rechtswidrig“, ergänzte Albrecht. Doch habe die Parlamentsmehrheit ein Rechtsgutachten gar nicht mehr abwarten wollen. Er rechnet mit einer Überprüfung durch den Europäischen Gerichtshof. Möglicherweise klagt seine Fraktion sogar selbst.

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