zum Hauptinhalt
Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen und Innenminister Thomas de Maizière auf dem Symposium des Bundesamtes für Verfassungsschutz zum Thema "Islamistischer Terror in Europa" am 4. 5. 2015.

© AFP

Update

Symposium des Verfassungsschutzes zu Islamismus: Thomas de Maizière fordert Aufklärung zur BND/NSA-Affäre

Am Montag hat in Berlin das Symposium des Verfassungsschutzes zum islamistischen Terror in Europa begonnen. Die Frage ist, ob Innenminister Thomas de Maizière und BND-Chef Gerhard Schindler auch über die Spionageaffäre von BND und NSA reden, oder ob sie laut schweigen. Verfolgen Sie hier die Ereignisse von dem Symposium.

Von

Eigentlich sollte es ein ausgeruhtes Symposium des Bundesamtes für Verfassungsschutz werden. Das Thema: Islamistischer Terror in Deutschland und Europa. Schon vor Monaten war es geplant, waren die Teilnehmer eingeladen worden. Doch gleich zwei aktuelle Ereignisse, haben die sorgfältigen Planungen durcheinander gebracht: der vereitelte Anschlag in Frankfurt und die BND-Affäre. Und alle wichtigen Protagonisten beider Ereignisse sind an diesem Morgen in Berlin dabei. Entsprechend groß ist das Medieninteresse. Kamerateams haben sich am Eingang aufgebaut, um BND-Chef Schindler und Innenminister Thomas de Maizière abzufangen. Auch der Zuschauerraum füllt sich schnell. Sogar eine Delegation den chinesischen Botschaft ist gekommen. Mit der Presse sprechen möchten die Herren aber nicht. "Bitte haben Sie Verständnis, dazu bin ich nicht befugt", sagt Herr Deng, kurz bevor es losgeht.

Als erster Redner setzt der Präsdent des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, gleich bei zwei Themen markant Akzente. Maaßen warnt vor einer weiter zunehmenden Gefahr des islamistischen Terrors - und er nimmt angesicht der aktuellen Vorwürfe die Nachrichtendiensten sowie Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in Schutz.     Mit inzwischen 680 Ausreisen von Islamisten aus Deutschland in die Konflitkregion Syrien-Irak "haben wir den Scheitelpunkt noch nicht erreicht", prophezeit Maaßen. Außerdem würden die Ausreisenden immer mehr die "Anbindung an dschihadistische Gruppen" suchen. Und die Terrormiliz "Islamischer Staat" habe ihre Professionalität, auch und gerade bei der Propaganda im Internet, "nochmal gesteigert". Mit Blick auf den in der vergangenen Woche in Hessen verhinderten Anschlag wirbt Maaßen um die Hilfe der Bevölkerung. "Die Sicherheitsbehörden brauchen die Zivilgesellschaft", sagt der Chef des BfV.     Scharfe Kritik äußert Maaßen an einem Teil der Medien angesichts der Affäre um den Bundesnachrichtendienst und der Vorwürfe gegen de Maizière. "Die Berichterstattung über Ihre Person empfand ich als zutiefst unanständig", sagt Maaßen und schaut den Minister an, der in der ersten Reihe sitzt. Maaßen betont, de Maizière habe dem BfV den Rücken gestärkt, "dafür danke ich Ihnen". Da wird der Präsident von Applaus unterbrochen. Bis auf die anwesenden Journalisten klatschen alle. Auch die Vertreter der insgesamt 29 ausländischen Nachrichtendienste, die am Montag zu der Veranstaltung nach Berlin gekommen sind.

Thomas de Maizière greift die Kritik an den Geheimdiensten auf

Nach Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen griff auch Innenminister Thomas de Maizière (CDU) die Kritik an den Geheimdiensten auf. Anders als Maaßen machte er deutlich, dass die jüngsten Vorwürfe gegen den Bundesnachrichtendienst aufgeklärt werden müssten, Es sei ihm auch persönlich wichtig, möglichst schnell im Untersuchungsausschuss Stellung zu nehmen. "Bürger haben einen Anspruch darauf, dass Nachrichtendienste ihren Beitrag leisten, dass wir in Deutschland sicher leben können." Die Festnahmen in Oberursel hätte gezeigt, wie gut die Zusammenarbeit der Behörden auf verschiedene den Ebenen funktioniere, "Ich habe Respekt vor dieser Arbeit." Die Geheimdienste hätten nicht zuallererst Misstrauen verdient.

"Es ist nicht sicher, dass die Terrorabwehr immer so gut funktioniert.", sagte der Minister weiter. Die Gefahren seien konkret. Durch die internationale Vernetzung der islamistischen Szene habe der islamistische Terror eine europäische Dimension erhalten. Diese Szene sei durch einen binären, von Gegensätzen gekennzeichneten Geist geprägt. "Islamisten wollen spalten, Gräben zwischen Kulturräume ziehen, auch zwischen Muslimen selbst." Andersdenkende würden radikal abgelehnt. Das salafistische Spektrum werde immer größer. 1000 Salafisten gebe es derzeit in Deutschland, 270 davon würden als sogenannte Gefährder eingestuft, so de Maizière weiter.

"Die steigende Zahlen der Islamisten zeigen, dass die bisher praktizierte Prävention nicht ausreicht." Die Kooperation zwischen den Behörden in Europa müsse verbessert werden. Das betreffe vor allem den Austausch von Informationen über Reisende mit einem möglichen islamistischen Hintergrund zwischen den Behörden des Schengenraumes und der Türkei. "Doch auch in der Kommunikation müssen wir Deutungshoheit gewinnen." Die Propaganda der Islamisten dürfe nicht unkommentiert bleiben. "Das ist zunächst eine Aufgabe der muslimischen Verbände", sagte der Minister. Unter anderem müsse deutlich gemacht werden, dass die meisten Opfer des islamistischen Terrors Muslime seien. "Wir müssen die Dinge zeigen, wie sie sind, und auch die menschliche Seite berühren." Innere Sicherheit sei heute zudem auch ein Aspekt der auswärtigen Politik und der Entwicklungspolitik. Auch in diesem Beriechen müssten Antworten auf die wachsenden Gefahren gefunden werden.

Maizière mahnte eine Kommunikationsstrategie an, die auch die politische Bildung einbeziehe. "Wir müssen den inneren Zusammenhalt in unserem Land stärken." Er forderte vor allem eine respektvolle Streitkultur. "Es fehle ein Grundrespekt um Umgang mit anderen Meinungen, vor allem wenn es um Religion gehe. Gerade im Internet vermisse er Achtsamkeit im Umgang mit Sprache.

"Der Verfassungsschutz ist gut aufgestellt"

Das Bundesamt für Verfassungsschutz, so sagte der Minister abschließend, sei nach einer Umstrukturierung für die Herausforderungen des islamistischen Terrors gut aufgestellt. Künftig müssten zudem alle relevanten Informationen zwischen den Verfassungsschutzbehörden ausgetauscht werden. "So vermeiden wir Informationsinseln." Und auch der Einsatz von V-Leuten werde nun klar geregelt.

Charles Farr, Leiter der Behörde für Sicherheit und Terrorismusabwehr (OSCT) im Britischen Innenministerium, warnte davor, das Internet als Quelle für die Rekrutierung islamistischer Kämpfer überzubewerten. In Großbritannien hätten in den meisten Fällen auch persönliche Kontakte zu einer Radikalisierung geführt. Dennoch plädierte er dafür, sie sozialen Netzwerke besser zu überwachen und in Zusammenarbeit mit den Anbietern islamistische Propaganda zu bekämpfen. Staatliche Informationskampagnen seien dagegen nur begrenzt erfolgversprechend, um islamistischer Propaganda etwas entgegenzusetzen, da sie als wenig glaubwürdig eingeschätzt würden. "Das zeigt, wie groß die Distanz zwischen der Öffentlichkeit und staatlichen Institutionen bereits ist", sagte Farr. Gute Erfahrungen machen die Briten laut Farr mit individuellen Deradikalisierungsprogammen von Islamisten. 70 Prozent der Teilnehmer stellten keine Gefahr mehr da.

Auf der Pressekonferenz am Mittag sagte Verfassungsschutz-Chef Maaßen, der bereits zuvor geredet hatte, bei dem vereitelten Anschlag auf die Radfahrer in Oberursel "haben wir es mit einer kleinen Gruppe zu tun, die wir nicht so auf dem Schirm hatten. Das zeigt, wir können nicht alles verhindern." Zur Frage, warum einer der Täter offenbar bei einer Landesbehörde registriert und dennoch nicht im Visier des Verfassungsschutzes war, sagte er: Seiner Kenntnis nach sei einer der Täter lediglich allgemein kriminell in Erscheinung getreten und deshalb registriert gewesen.

BND-Chef Gerhard Schindler würdigt indirekt die NSA

Zur BND-Affäre wollte sich Maaßen nicht näher äußern. Der Sachverhalt müsse vor einer Bewertung zunächst aufgeklärt werden. Der Verfassungsschutz selbst habe in den vergangenen Jahren keine Kenntnis von Wirtschaftsspionage gegen deutsche Unternehmen durch befreundeten Dienste gehabt, konkretisierte Maaßen auf Nachfrage. In seiner Eröffnungsrede hatte er zuvor die Kritik an Innenminister de Maizière im Zusammenhang mit der BND-Affäre als unanständig bezeichnet und scharf kritisiert, dass interne Unterlagen an die Presse gelangt seien. Diese illegale Weitergabe müsse strafrechtlich verfolgt werden, forderte er auf der Pressekonferenz.

Gerhard Schindler, Präsident des Bundesnachrichtendienstes, hat bei dem Symposium auch Stellung in der BND-Affäre bezogen. Der Respekt vor dem Parlament gebiete es, vor allem den Parlamentsausschüssen zu berichten. "Dennoch möchte ich hier den Vorwurf des Landesverrats in aller Deutlichkeit zurückweisen." Der BND arbeite allein für deutsche Interessen und für Deutschland, "und für sonst niemand". Er sei auch kein Instrument der USA. Derzeit sei der BND so leistungsfähig wie lange nicht mehr, und dies beruhe auch auf der internationalen Zusammenarbeit. "Den Schutz deutscher Soldaten in Afghanistan beispielsweise könnten wir ohne die technische Unterstützung der USA nicht wahrnehmen", sagte Schindler.

Familien- und Jugendministerin Manuela Schwesig (SPD) kündigte einen Ausbau der Präventionsarbeit mit dem Schwerpunkt islamistische Gewalt an. Der Bundestag habe dafür zehn Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Diese Arbeit sei bisher zu kurz gekommen. Auch Beratungsstellen seien mit dem Thema oftmals überfordert, wenn sich beispielsweise Eltern muslimischer Jugendlicher dort meldeten, die bei ihren Kindern eine Radikalisierung festgestellt hätten. Das Ministerium will bei der Prävention mit muslimischen Gemeinden kooperieren. "Die Botschaft lautet: mehr Teilhabe, weniger Diskriminierung", sagte Schwesig. Diskriminierungserfahrungen stünden oftmals am Anfang einer Radikalisierung muslimischer Jugendlicher, ergänzte sie. Auch Aussteigerprogramme sind laut Schwesig geplant. "Hier können wir auf Erfahrungen mit Programmen für Rechtsradikale profitieren. Denn diese Programme waren nicht erfolglos."

"Prävention ist schwierig"

Catrin Rieband vom Bundesamt für Verfassungsschutz sagte, Prävention sei eine Sisyphusarbeit. Sie müsse individuell auf jeden einzelnen Fall zugeschnitten sein.

Naika Foroutan, Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung, hat ein "sehr hohes Maß an Islamfeindlichkeit" in der deutschen Gesellschaft festgestellt. Junge Muslime fühlten sich dadurch abgewertet und suchten nach einer Identität jenseits einer nationalen Verortung. "Da müssen wir als Gesellschaft noch daran arbeiten."

Dennoch gibt es bereits Präventions-Ansätze. Gräfin Ursula Praschma vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge betonte, ihr Amt habe bereits 2008 eine Koordinationsfunktion beim Thema Prävention zwischen Sicherheitsbehörden und muslimischen Verbänden übernommen. Auch besorgte Eltern könnten sich an das Amt wenden, um Informationen über Beratungsstellen zu erhalten. Dieses Angebot werde angenommen. Über eine Hotline hätten bisher 1500 Personen Rat gesucht.

Mit klassischen politischen Bildungsangeboten, so Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, könnten junge Zielgruppen heute allerdings kaum noch erreicht werden. Hier müsse mit Multiplikatoren oder auch Peers gearbeitet werden, Rapper beispielsweise oder Videokünstler, die bei Jugendlichen als Vorbilder anerkannt seien. Statt Broschüren setzt die Bundeszentrale Inzwischen eher auf animierte Aufklärungsvideos, über den Islam beispielsweise. Auch eine Kampagne "Youtuber gegen Nazis" wurde gestartet. "Das war ein voller Erfolg und hat eine Debatte im Netz ausgelöst.", sagte Krüger.

Auch Thomas Mücke, Geschäftsführer "Violence Prevention Networrk", setzt bei seinen Projekten auf religiöse Aufklärung. "Viele Jugendliche wissen kaum etwas über ihre Religion, hier setzen wir an." Grundsätzlich gelte: Es reiche nicht, radikalisierte Jugendliche an einer Ausreise in Kriegsgebiete zu verhindern, denn ihre Einstellung ändre sich dadurch nicht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false