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Mitglieder der Freien Armee bauen eine Straßensperre.

© rtr

Syrien: Diplomatische Sackgasse

Während Moskau und Peking ihr Veto gegen eine Syrien-Resolution im UN-Sicherheitsrat verteidigen und der Westen neue Sanktionen fordert, kann das Assad-Regime weiter morden.

Während Russland und China am Montag ihr Veto gegen eine Syrien-Resolution im UN-Sicherheitsrat verteidigten, erwägen die Europäer neue Sanktionen gegen das Regime von Baschar al Assad. Deutschland und Frankreich machten deutlich, dass sie ihre Bemühungen im Rahmen einer neuen Kontaktgruppe zu Syrien verstärken wollten. In ihr sollen Nationen oder Regionalorganisationen zusammenarbeiten, die das Vorgehen der syrischen Regierung verurteilen. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte in Paris, die Türkei und die Arabische Liga könnten darin eine wichtige Rolle spielen. Gemeinsam mit seinem französischen Kollegen Alain Juppé sei er sich einig, dass die EU schon beim nächsten Rat weitere Sanktionen gegen Syrien erlassen sollte. „Die Vorbereitungen dafür sind bereits in vollem Gang“, sagte er. Nach Angaben aus Delegationskreisen soll auch ein Ausbau der Kontakte zur syrischen Opposition debattiert werden. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU), sprach sich im ZDF für eine logistische Unterstützung der Opposition etwa mit Kommunikationsmitteln wie Kameras, Satellitentelefonen oder Handys aus.

Die USA haben ihre Botschaft in Syrien geschlossen und haben das mit der sich verschlechternden Sicherheitslage begründet. Die Mitarbeiter seien abgezogen worden, teilte das Außenministerium in Washington am Montag mit. Auch Botschafter Robert Ford sei nach Washington zurückgekehrt. Großbritannien hat seinen Botschafter zu Konsultationen in die Heimat zurückgerufen. Dieser Schritt sei ein Zeichen des Protestes gegen das Vorgehen der syrischen Regierung gegen die Opposition, sagte Außenminister William Hague in London.

Kein Verständnis für das Veto: Demonstration vor der russischen Botschaft in der libyschen Hauptstadt Tripolis.
Kein Verständnis für das Veto: Demonstration vor der russischen Botschaft in der libyschen Hauptstadt Tripolis.

© dpa

Russland und China haben unterdessen am Montag die heftige weltweite Kritik an ihrem Abstimmungsverhalten im UN-Sicherheitsrat zurückgewiesen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow erklärte am Montag, die russische Politik bestehe nicht darin, „jemanden um Rücktritt zu bitten. Regimewechsel sind nicht unsere Spezialität“. Gleichzeitig dementierte der Diplomat bedingungslose Unterstützung für den syrischen Präsidenten Baschar al Assad: „Wir sind keine Freunde und keine Verbündeten von Präsident Assad“. Der UN-Sicherheitsrat habe kein Recht, einem souveränen Staat einen Machtwechsel aufzuzwingen, hieß es bereits am Sonntag aus dem russischen Außenamt. Daher hätten sich Moskau und Peking gezwungen gesehen, von ihrem Vetorecht Gebrauch zu machen.

Als „völlig begründet“ verteidigte Moskaus Veto auch Jewgeni Primakow, Ex-Premier, Ex-Außenminister, ehemaliger Chef der Auslandsaufklärung und einer der profundesten Nahostkenner Russlands. Westliche Politiker und Medien hätten die Entwicklungen in Syrien von Anfang an nicht objektiv dargestellt. Die Opposition habe auf Reformangebote Assads nicht reagiert. Ein „wesentlicher, wenn nicht der überwiegende Teil der Bevölkerung des Landes bleibt auf der Seite der Regierung“, so Primakow wörtlich. Auch hätten Russland und China die Annahme der Resolution im Prinzip nicht abgelehnt. Besorgnis hätten indes „unklare“ Passagen hervorgerufen, die eine bewaffnete Intervention wie in Libyen ermöglicht hätten. Die USA und ihre Nato-Verbündeten nutzten die im Frühjahr 2011 entstandene Situation in der arabischen Welt, um ihnen nicht genehme Regime zu beseitigen. Syrien sei auch deshalb zum Opfer geworden, weil es Iran nahesteht.

antiwestliche Rhetorik kommt in Russland gut an

Kritische Experten indes rügen, Russlands Nahostpolitik sei derzeit konzeptionslos und an der bloßen Tageskonjunktur orientiert. Durch das Veto würde Moskau auch seine traditionell freundschaftlichen Beziehungen zur Arabischen Liga belasten und dadurch weiter an Einfluss in der Region verlieren.

Auch innenpolitische Erwägungen dürften eine Rolle spielen: Antiwestliche Rhetorik wie bei der Ablehnung der Syrien-Resolution kommt in Russland bei den meisten Wählern gut an und soll auch die bröckelnden Zustimmungsraten für Wladimir Putin vor den Präsidentenwahlen am 4. März verbessern.

In der syrischen Stadt Homs steigt der Rauch aus beschossenen Häusern
In der syrischen Stadt Homs steigt der Rauch aus beschossenen Häusern

© AFP

In Peking wies am Montag der Sprecher des Außenamtes die internationale Kritik zurück. „Wir handeln nicht aus eigennützigem Interesse für eine Seite“, sagte Liu Weimin. Stattdessen sieht China seinen Einspruch in einem übergeordneten Interesse. „Wir halten die Gerechtigkeit im Fall Syriens aufrecht“, sagte der Außenamtssprecher.

Sein Land habe mit seinem Veto eine vorschnelle Resolution stoppen müssen, argumentiert Chinas UN-Botschafter Li Baodong. „Eine Abstimmung durchzudrücken, während die Beteiligten bei diesem Thema weiterhin deutlich unterschiedlicher Meinungen sind, wird nicht helfen, die Einheit und Autorität des Sicherheitsrates aufrechtzuerhalten“, sagte der Botschafter. Deshalb will China durch sein Veto der Institution UN-Sicherheitsrat einen Dienst erwiesen haben. Die „Volkszeitung“, Sprachrohr der kommunistischen Partei, schreibt: „Einfach nur eine Seite zu unterstützen und die andere unter Druck zu setzen, scheint nur die Wende zum Besseren zu bringen, aber tatsächlich pflanzt man damit die Wurzel für ein neues Desaster.“

Der tunesische Außenminister Rafik Abdessalem erklärte unterdessen in Berlin, die Tunesier seien „schockiert“ über die russische Haltung. Moskau müsse bei allen strategischen Interessen „zumindest eine ausgewogenere Haltung“ einnehmen, sagte der Vertreter der islamisch-orientierten Ennahda-Partei, die aus den ersten freien Wahlen in Tunesien als Wahlsieger hervorging, im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Nach Ansicht Abdessalems gibt es trotz der russischen Rückendeckung für das Regime von Präsident Baschar al Assad keine Alternative zu einem „radikalen politischen Wechsel“. Denn die Menschen in Syrien seien wie zuvor in Tunesien und Ägypten „entschlossen“, für ihre Würde, soziale Gerechtigkeit und politische Partizipation zu kämpfen. Entweder Baschar al Assad ginge oder er leite radikale Reformen ein. Aber auch wenn die Legitimität des Regimes „schwach“ sei, wolle er sich nicht „hundertprozentig darauf festlegen, dass al Assad bald die Macht abgeben wird“. Den Westen forderte er auf, die Pläne der Arabischen Liga zu unterstützen, an die der Ball nun zurückgespielt worden sei. Ein militärisches Eingreifen des Westens lehnt Abdessalem ab, „weil wir keinen zweiten Irak wollen“.

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