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Yayha al Aous.

© privat

Syrien: "Assad macht Zugeständnisse in die falsche Richtung"

Der Regierungskritiker al Aous sieht hinter vermeintlichen Reformen des syrischen Präsidenten Bashar al Assad einen gefährlichen Kuschelkurs mit den Islamisten.

Damaskus - Er ist politischer Aktivist und Publizist in einem Land, in dem Kritik am Regime lebensgefährlich ist: Yayha al Aous (36) musste schon einmal für zu kritische Artikel über das damals noch junge Assad-Regime und die Unterdrückung des „Damaszener Frühlings“, die er 2002 in Zeitungen der Vereinigten Arabischen Emirate veröffentlichte, für zwei Jahre in Haft. Nach seiner Freilassung 2004 legten ihm die Aufsichtsbehörden nahe, sich einen anderen Schwerpunkt als die Durchsetzung der Menschenrechte in Syrien zu wählen. Al Aous entschied sich für ein Engagement im Bereich der Frauenrechte, da er diese als Grundlage für die Durchsetzung von Menschenrechten sieht. Er gründete „At-Thara“ („die Erde, der Boden“), eine kleine, halblegale Organisation mit vielen heimlichen Unterstützern im In- und Ausland. Er und die Aktivitäten von „At-Thara“ stehen unter ständiger Beobachtung, weshalb er mittlerweile zu einem Meister der diplomatischen Wortwahl geworden ist. Er traut sich als einer der wenigen syrischen Aktivisten, dieser Tage frei zu sprechen, da er weiß, „wo die feine rote Linie“ verläuft.

Die aktuellen Entwicklungen, besonders die in den vergangenen Tagen angekündigten „Reformen“ des Präsidenten Bashar al Assad, betrachtet er mit Sorge. Im Juli 2010 war ein Gesetz erlassen worden, das vollverschleierten Frauen die Arbeit im Erziehungsbetrieb untersagte. In der vergangenen Woche hat der Präsident Bashar al Assad dieses Gesetz als vermeintliche Reform zurückgenommen, dazu den Aufbau von islamischen Universitäten im Land gestattet und das einzige Casino des Landes geschlossen.

„Diese Eingeständnisse an die immer stärker werdende islamistische Fraktion sind ein Schritt in die falsche Richtung“, sagt er, „doch es ist die Angst der Machthaber vor der einzigen Religionsgemeinschaft des Landes, die sich in den Moscheen ungestraft versammeln darf.“ Ungeachtet der Gefahr, wieder inhaftiert zu werden, organisierte er am vergangenen Wochenende einen Workshop mit Aktivisten und engagierten Rechtsanwälten, um einige Forderungen für die Zeit „danach“, falls das Regime einen tatsächlichen Dialog mit der Opposition zulassen könnte. Doch vorher, befürchtet er, stünden den unzufriedenen, protestierenden und im Untergrund arbeitenden Syrern noch „Monate der Angst“ bevor.

Al Aous bedauert, dass in ländlichen Gegenden, in denen Traditionen vor Gesetzen gelten, das Bewusstsein für Frauenrechte nicht vorhanden ist und die staatlichen Institutionen kein Interesse daran haben, auf Möglichkeiten, schier unausweichliche „Schicksale“ zu umgehen, hinzuweisen. Als besonders erschreckend sieht er den weit verbreiteten Minderwertigkeitskomplex vieler Frauen, der besonders arme, ungebildete Mädchen dazu veranlasst, Zwangsehen mit deutlich älteren Männern zuzustimmen. Wäre er nicht verheiratet und Vater von zwei Töchtern, so wäre er bereit, mehr zu riskieren. Doch sein letzter Versuch, die Aufklärung voranzutreiben, wies ihn wieder in die Schranken des Erlaubten. Zusammen mit dem privaten, kritischen Verlag „Etana“, der oft an der Grenze der staatlichen Zensur arbeitet, veröffentlichte al Aous 2005 das Buch der in Paris lebenden iranischen Schriftstellerin Shada Rujawan „Nimm das Kopftuch ab“ auf Arabisch. Den Zensurbehörden war das ein Dorn im Auge. Sie belegten ihn mit neuen Einschränkungen: Kontakte ins Ausland wurden ihm, ebenso wie die Durchführung von Konferenzen und das Kommentieren religiöser Themen, untersagt.

www.thara-sy.com

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