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Das Regime und die Rebellen werfen sich gegenseitig vor, in der Stadt Aleppo Chemiewaffen eingesetzt zu haben.

© AFP

Syrien: Brisante Proben

Nach einem Bericht der britischen Tageszeitung "Times" gibt es Beweise für den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien. Ob die Waffen vom Regime in Damaskus oder von Rebellen verwendet wurden, ist allerdings unklar.

Nach einem Bericht der britischen Tageszeitung „Times“ haben Wissenschaftler des britischen Militärs Beweise gefunden, dass im Syrienkonflikt chemische Waffen eingesetzt worden sind. Die Bodenproben, die aus der Nähe von Damaskus stammten und im März nach Großbritannien geschmuggelt wurden, seien ein Beleg, dass eine „Art von chemischen Waffen“ abgefeuert worden ist. Bereits am Donnerstag hatten UN-Diplomaten erklärt, westliche Länder hätten nun eindeutige Beweise, dass chemische Waffen in diesem Konflikt mindestens einmal angewandt worden seien. Das britische Team des Forschungszentrums in Porton Down konnte aber laut „Times“ nicht bestimmen, ob der Einsatz durch die Regimetruppen oder die Rebellen erfolgte und ob der Gebrauch chemischer Stoffe weit verbreitet ist.

Ein Mitglied des oppositionellen Militärrates in Damaskus sagte am Sonntag der panarabischen Zeitung „Sharq al Awsat“, die Proben seien in Otaiba, einem Vorort von Damaskus, entnommen worden, wo seit Monaten heftig gekämpft wird. Nach den Angaben des Oppositionellen seien die Proben Teil eines umfangreichen Dossiers, um die Gewalt des Regimes in Damaskus und seinen Einsatz von chemischen Waffen zu dokumentieren. Sie seien zuerst in einem arabischen Land untersucht worden. Eine syrische Menschenrechtsorganisation hatte am 19. März eine Liste von Todesopfern aus Otaiba veröffentlicht, die nach einem Bombardement mit chemischen Waffen gestorben sein sollen.
Den Bericht der „Times“ wertete die regierungsnahe syrische Tageszeitung „Al Watan“ als eine Drohkulisse Londons, um Präsident Baschar al Assad zu bewegen, UN-Inspektoren ins Land zu lassen. Die Inspektoren sollen die Vorwürfe des Einsatzes von Chemiewaffen untersuchen. Nach einem Vorfall in Khan Asal nahe Aleppo im Februar hatte ursprünglich Damaskus die UN angefordert, um die Vorwürfe zu untersuchen. Als die UN-Inspektoren letzte Woche bereit waren, machte das syrische Regime einen Rückzieher und beschuldigte die UN, die Bedingungen einseitig geändert zu haben, weil sich die Inspektoren im ganzen Land und nicht nur in Khan Asal umsehen wollten. Ein Voraus-Team der 15 UN-Waffenexperten wurde bereits nach Zypern geschickt. Syrien hat wie auch Ägypten und Israel die Konvention zur Nichtverbreitung von Chemiewaffen nicht ratifiziert.
Wird der Einsatz von chemischen Waffen in diesem Konflikt zweifelsfrei belegt, droht eine weitere regionale Eskalation des Konfliktes, der bereits über 70 000 Todesopfer gefordert hat und die Nachbarländer Jordanien, Türkei und Libanon mit Hunderttausenden Flüchtlingen belastet. Der Libanon wird zudem zerrissen von Spannungen zwischen Gruppierungen, die das Assad-Regime unterstützen wie die schiitische Hisbollah, und jenen, die den Aufstand mittragen. Bei den Rebellen handelt es sich vor allem um Sunniten.
Zum letzten Mal hatte US-Präsident Barack Obama Assad im März vor dem Einsatz chemischer Waffen gegen die Opposition gewarnt. Die Welt werde Assad zur Verantwortung ziehen, meinte er und betonte, man werde nicht zulassen, dass Syriens Staatschef chemische Waffen gegen sein Volk einsetze oder diese den Terroristen in die Hände fallen. Israelische Militärkreise haben bisher einen Angriff Syriens mit chemischen Waffen auf ihr Land als wenig wahrscheinlich bezeichnet. Diese Möglichkeit wurde aber auch nicht ausgeschlossen für den Fall, dass die Waffen in „falsche Hände“ geraten, wie sich kürzlich Generalmajor Eyal Eisenberg ausdrückte. Israels Regierung hat in städtischen Gebieten vorsorglich Gasmasken verteilt.

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