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In höchster Not. Die humanitäre Situation in Tabqa ist katastrophal. Hier fanden auch Kinder Zuflucht, die aus dem umkämpften Rakka geflohen sind.

© Delil Souleiman/AFP

Syrien-Einsatz: Die Angst der USA vor dem „Irak-Gespenst“

In Syrien versuchen die USA zu zeigen, dass sie aus alten Fehlern im Irak-Krieg gelernt haben. Doch die Zurückhaltung hat ihren Preis.

Als die Kämpfer des „Islamischen Staates“ (IS) vor einigen Monaten aus der nordsyrischen Stadt Tabqa vertrieben wurden, wandten sich die örtlichen Honoratioren an die US-Militärberater in der Gegend. Die US-Soldaten sollten doch bitte die Schulen in Tabqa übernehmen und betreiben. Doch die US-Vertreter winkten ab. „Wir haben unsere Lektion gelernt“, lautet die abschlägige Antwort auf solche Anfragen in Tabqa und anderswo, wie der US-Sondergesandte für den Kampf gegen den IS, Brett McGurk, kürzlich in Washington berichtete. Die USA seien nicht besonders gut darin, Institutionen eines kriegszerstörten Landes zu übernehmen.

Die Lektion, von der McGurk sprach, sind die schlechten Erfahrungen der USA im Irak nach dem Sturz von Saddam Hussein im Jahr 2003. Damals wollte Washington in Nahost eine Demokratie westlicher Prägung aus dem Boden stampfen – ein Vorhaben, das einen Bürgerkrieg mit hunderttausenden Toten auslöste, eine jahrelange US-Militärpräsenz erforderte und am Ende scheiterte. Heute ist der Einfluss des amerikanischen Gegenspielers Iran beim Nachbarn Irak größer als je zuvor. „Irak ist das Paradebeispiel dafür, wie etwas nicht gemacht werden sollte“, sagt der Nahost-Experte Peter Feaver von der Duke-Universität in North Carolina. Deshalb bestimme das „Gespenst von Irak“ in Washington die Syrien-Politik von heute, sagte Feaver.

In Tabqa und anderen syrischen Städten, die vom IS befreit worden sind, hat das konkrete Konsequenzen. Dort beschränken sich McGurks Soldaten darauf, in öffentlichen Gebäuden wie Schulen und Krankenhäusern die von den Dschihadisten hinterlassenen Sprengfallen unschädlich zu machen. Diese Aufgabe werde mit Hochdruck vorangetrieben, weil im September der Schulbeginn anstehe, sagte McGurk. „Aber was den Lehrplan und die Lehrer angeht – all das ist Sache der Syrer.“

Mehrere Tausend Spezialisten und Mitglieder von Sondereinheiten

Das militärische Engagement der USA in Syrien beschränkt sich bisher auf ein paar tausend Spezialisten und Mitglieder von Sondereinheiten. Der direkte Feindkontakt mit dem IS wird größtenteils lokalen Partnern wie kurdischen und arabischen Milizen überlassen. Die Ablösung von Baschar al Assad gehört nicht zu den Kriegszielen der USA in Syrien – ganz anders als damals bei Saddam Hussein. Donald Trump hat diese Prioritäten von seinem Vorgänger Barack Obama ohne große Veränderungen übernommen.

Die Kontinuität hat einen guten Grund, sagt Hady Amr, der an der Nahost-Politik der Obama-Regierung mitwirkte und jetzt für die Denkfabrik Brookings Institution arbeitet. Die Ansichten einer ganzen Generation von Amerikanern zu Ausführung und Zielen von Militärinterventionen seien vom Irak-Krieg geprägt worden, sagte Amr.

Allerdings hat die Zurückhaltung ihren Preis. „Wenn man die ganze Zeche bezahlt, kann man auch bestimmen, was gegessen wird“, sagt Feaver. Doch weil die USA anders als im Irak heutzutage in Syrien die Rechnung mit anderen Akteuren teile, müsse Washington hinnehmen, dass bei der Errichtung einer neuen Ordnung nach der Vertreibung des IS nicht alles so laufe, wie die USA das wollten.

In Nordsyrien zum Beispiel gibt es heftigen Streit zwischen den USA und dem Nato-Partner Türkei, der die Zusammenarbeit der Amerikaner mit den syrischen Kurden kritisiert und sich eigene Einflusszonen schafft. Dort kann das von McGurk erwähnte Beispiel neuer Lehrpläne für die Schulen leicht zum Teil eines Gerangels um Macht und Herrschaft in einer IS-freien Zone werden. Anderswo in Syrien spielen die Interessen Russlands und des Iran wichtige Rollen.

McGurk und seine Leute konzentrieren sich auf das Ziel, den IS zu besiegen. Was danach in den derzeit noch von den Extremisten beherrschten Landesteilen Syriens geschehen soll, ist unklar. Eine offizielle US-Strategie dafür gibt es nicht, nur die Entschlossenheit, kein Vakuum entstehen zu lassen, das dann erneut von radikalen Gruppen gefüllt wird. Doch bis dahin ist es noch weit.

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