zum Hauptinhalt
In Haft. Als der Kieler Jurist Ismail Abdi im Zivilgefängnis im syrischen Adra untergebracht wurde, hatte er das Schlimmste schon hinter sich. Zuvor hatte er sich in Damaskus eine zwei Quadratmeter große Zelle mit zwei anderen Männern teilen müssen.

© R/D

Syrien: Gefangen in Assads Kerker

Der Deutsch-Syrer Ismail Abdi prangerte Menschenrechtsverletzungen unter dem syrischen Regime öffentlich an - und wurde selbst zu einem Opfer. Mehr als sieben Monate saß er in Haft. Der Folter ist er nur knapp entkommen.

Es ist das Ende eines Albtraums. Der Menschenrechtler Ismail Abdi hat monatelang Schreckliches durchmachen müssen, nun durfte er wieder zu seiner Familie nach Kiel zurückkehren. Der Deutsch- Syrer war mehr als sieben Monate lang in syrischen Gefängnissen festgehalten worden. Dann brummte ihm der mächtige syrische Geheimdienst ein Ausreiseverbot auf, ehe ihm dann doch überraschend erlaubt wurde, sein Heimatland zu verlassen. Dort geht der Machthaber Baschar al Assad weiter mit aller Brutalität gegen Aufständische vor. Sicherheitskräfte überwachen in Syrien auch Abdis Familienverbindungen.

Obwohl der 51-Jährige das weiß, scheut er sich nicht, über seine Erlebnisse zu reden. Abdi flüchtete bereits 1997 als Oppositioneller nach Deutschland und ist anerkannter Asylbewerber. 2006 hat er die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen, was in Syrien aber nicht den Verlust der dortigen Staatsbürgerschaft bedeutet. Abdi, selbst Jurist, hat dann in Kiel ein neues Zuhause gefunden, aber auch von dort gegen Menschenrechtsverstöße in Syrien aufmerksam gemacht, etwa durch die Veröffentlichung einer Liste von verschwundenen und gefolterten Regimegegnern.

Genau das wurde ihm im August 2010 zum Verhängnis, als er seine kranke Mutter in Syrien besuchte und auf dem Flughafen von Aleppo vor der Rückreise nach Deutschland von Zivilbeamten festgenommen und verschleppt wurde. Wochenlang hatte er keinen Kontakt zur Außenwelt. Selbst offizielle deutsche Stellen wie die Botschaft in Damaskus oder das Auswärtige Amt erfuhren auf Nachfragen bei syrischen Behörden zunächst nichts über Abdis Schicksal.

Zwar konnte Abdi im Gefängnis brutalen Folterungen entgehen. Aber seine Haftbedingungen waren äußerst inhuman. „Bei einem der ersten Verhöre in Damaskus musste ich mich vier Stunden lang auf den Boden setzen. Dabei wurden mir die Hände hinter dem Rücken gefesselt und die Augen verbunden“, erzählt Abdi. Trotz gefesselter Hände musste er dann ein ihm unbekanntes Protokoll unterschreiben. Er musste in Damaskus drei Wochen bei katastrophalen hygienischen Verhältnissen mit zwei anderen Männern in einer Einzelzelle von gerade zwei Quadratmetern zubringen. Betten und Matratzen gab es nicht. Nur drei jeweils zweiminütige Toilettengänge pro Tag wurden gestattet. „Dreimal habe ich in Damaskus selbst gesehen, wie Mitgefangene gefoltert und geschlagen wurden“, sagt Abdi. Ihm klingen immer noch die ständigen Peitschenhiebe in den Ohren, deren Spuren er bei Mitgefangenen dann selbst sehen konnte. Ihm selbst wurde auch einmal ein Raum mit Blutspuren gezeigt und mit der Foltermethode des „fliegenden Teppichs“ gedroht, bei der der Gefangene auf einem körperförmigen Holzschemel festgebunden und dann Stock- und Peitschenhieben ausgesetzt ist.

All seine Schilderungen decken sich mit den Erkenntnissen von Amnesty International oder den Verlautbarungen des Internationalen Roten Kreuzes, das sich für einen Zugang zu den syrischen Gefängnissen starkmacht, in denen nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen seit den Frühlingsprotesten mittlerweile rund 10 000 Regimekritiker inhaftiert sein dürften.

Erst mit seiner Überstellung ins Zivilgefängnis von Adra besserten sich nach sechs Wochen Abdis Bedingungen Stück für Stück. Ende März wurde er dann plötzlich freigelassen. Am 18. April folgte eine Gerichtsverhandlung in Damaskus, in der sein „Handeln gegen das Ansehen Syriens im Ausland“ vom Status eines Verbrechens zu einem Vergehen heruntergestuft wurde, für das er seine Strafe dem Gericht zufolge bereits verbüßt habe. Der Geheimdienst, nicht etwa der Richter, teilte Abdi mit, dass er das Land nicht verlassen dürfe.

Abdi besuchte dann noch drei Demonstrationen der Demokratiebewegung in Damaskus, in Amuda und in Al Qamishli. Weil der Kieler sich auch fortan nicht den Mund verbieten ließ, wurde seinem Bruder bedeutet, dass man Ismail Abdi mit dem Tod bedrohen werde.

Zurück in Kiel berichtet Abdi, wie die Sicherheitsorgane Sonderkommandos rekrutieren. „Darunter sind Arbeitslose oder sogar vorbestrafte Kriminelle, denen immer freitags wegen der Proteste nach den Freitagsgebeten höhere Geldprämien gezahlt wurden, um sich die Regimetreue zu erkaufen.“ Wie lange sich Assads Regime mit derartigen Finten noch halten kann, ist ungewiss.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false