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Der britische Premierminister David Cameron.

© dpa

Syrien-Konflikt: Cameron muss Rückzug antreten

Auf Druck der britischen Öffentlichkeit und der Parteien soll im Londoner Unterhaus erst dann über einen möglichen Militärschlag entschieden werden, wenn sich der UN-Sicherheitsrat mit den Erkenntnissen der Chemiewaffenexperten in Syrien befasst hat.

London - Als die Bilder und die Meldungen von dem mutmaßlichen Giftgasangriff bei Damaskus um die Welt gingen, brach David Cameron seinen Urlaub in Cornwall ab, packte den roten Aktenkoffer und eilte entschlossen zu Krisensitzungen in die Downing Street. Für den britischen Regierungschef war der „moralische Fall“ klar. „Die Welt kann nicht zusehen, wie das syrische Regime Chemiewaffen einsetzt, um unschuldige Kinder anzugreifen“, sagte Cameron. Vizepremier und Koalitionspartner Nick Clegg ergänzte: „Es wäre ein sehr, sehr gefährlicher Präzedenzfall, wenn man tatenlos zusehen würde.“

Dann telefonierte Cameron 40 Minuten mit US-Präsident Barack Obama und entpuppte sich als treibende Kraft einer „Strafaktion“ gegen Syriens Staatschef Baschar al Assad. Die Briten fühlten sich an den Irakkrieg im Jahr 2003 und den damaligen Premier Tony Blair erinnert. Wie Blair damals forderte nun auch Cameron, die „überwältigende humanitäre Notwendigkeit“ eher ins Auge zu fassen als den mühseligen und im Fall Syriens wohl aussichtslosen UN-Prozess.

Aber anders als Blair scheiterte Cameron diese Woche an der Hürde des britischen Parlaments. Als Cameron eine Dringlichkeitssitzung für Donnerstag einberief, ging es um eine Autorisierung von Luftangriffen. Eile war geboten, auch Washington wollte nicht auf die UN warten. Aber der Widerstand im Parlament, in seiner Partei, im ganzen Land wuchs – es wurde klar, dass Cameron damit scheitern könnte. Lange nicht hat das britische Parlament seine Rolle als Kontrolleur der Regierung, des Premiers und als Sprachrohr der Wähler so bravourös gespielt.

Nur 25 Prozent der Briten würden Raketenangriffe auf Syrien billigen. 50 Prozent waren in einer Umfrage der Boulevardzeitung „Sun“ ausdrücklich dagegen. „Es ist der Schatten des Irak, der über der britischen Außenpolitik liegt“, sagte der Chef des Umfrageinstituts Yougov, Peter Kellner. Er verglich die Situation in Großbritannien mit der Lähmung der USA nach der Niederlage im Vietnamkrieg. Und der Chef der Anti-Europa-Partei Ukip, Nigel Farage, sagte: „Wir sind als Land müde, Kriege zu führen, die nichts mit uns zu tun haben“. Der Einsatz in Afghanistan, so rief er in Erinnerung, dauere länger als beide Weltkriege zusammen.

Zum Rückzug zwang Cameron dann Labour-Chef Ed Miliband. „Wir müssen die Lektionen aus unseren Fehlern im Irak lernen“, sagte er. Miliband stellte einen Forderungskatalog auf, dem Cameron folgte. Nun sollen die Berichte der UN-Inspekteure abgewartet und die militärischen Ziele eines Angriffs klar definiert werden. Eine Intervention ziele nicht auf einen Regimewechsel, sondern solle nur weitere Chemiewaffenangriffe verhindern, sagte Cameron. Zudem schloss er einen Angriff ohne internationale Rückendeckung aus. Die Abstimmung im Londoner Unterhaus soll erst stattfinden, wenn sich der UN-Sicherheitsrat mit den Erkenntnissen der Experten in Syrien befasst hat. Matthias Thibaut

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