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Update

Syrien: Sprengsatz reißt Assads engste Vertraute in den Tod

Ein spektakulärer Anschlag erschüttert Damaskus: Bei einer Explosion sterben drei enge Vertraute Assads, die zu den wichtigsten Militärplanern des Regimes gehörten. Der Kampf zwischen Rebellen und Regime eskaliert. Auch die UN zeigen sich ratlos.

Das blutige Finale in Syrien hat begonnen. Nach dem spektakulären Bombenanschlag auf den innersten Führungszirkel von Präsident Bashar al-Assad gerät die Lage immer stärker außer Kontrolle. Wie das staatliche Fernsehen meldete, wurden Verteidigungsminister Daoud Rajha, der Schwager Assads, Assef Shawqat, sowie ein weiterer hoher General getötet. Sie zählten zu den wichtigsten Militärplanern des Regimes im Kampf gegen die Aufständischen.

Der Sprengsatz explodierte bei einem Spitzentreffen von Ministern und Vertretern der Sicherheitskräfte, erklärte der TV-Sprecher und bezichtigte „Terroristen“ der Tat. Für viele Stunden stand eine hohe Rauchsäule über dem Explosionsort, der Nationalen Sicherheitsbehörde, die 500 Meter von der amerikanischen Botschaft entfernt ist. Zahlreiche weitere Mitglieder der Konferenz, darunter der Chef der Staatssicherheit, wurden verletzt. Einheiten der Republikanischen Garden sperrten das Gebäude sofort weiträumig ab ebenso wie das nahe gelegene Shami-Hospital, in dem die Verwundeten versorgt werden.

Bildergalerie: Blutiger Aufstand gegen Assad

Eine Serie von Bombenanschlägen soll wenig später der Kommandozentrale der Vierten Division gegolten haben, einer Eliteeinheit des Regimes, die von Assads Bruder Maher kommandiert wird. Hier gab es bis zum späten Abend keine Informationen über mögliche Opfer.

Assads Schwager Assef Shawqat war Vize-Verteidigungsminister, seit 1995 mit der Schwester Bushra des Diktators verheiratet und eine zentrale Säule des Machtapparates. Verteidigungsminister Rajha gehört der christlichen Minderheit an und war erst seit knapp einem Jahr im Amt. Widersprüchliche Meldungen gab es zum Zustand von Innenminister Mohammed Shaar. Mehrere arabische Sender berichteten, der Politiker sei ebenfalls tot. Im staatlichen Fernsehen dagegen hieß es,  er sei verletzt worden und sein Gesundheitszustand stabil.

Zu dem Anschlag bekannte sich die „Freie Syrische Armee“. „Das ist der Vulkan, von dem wir gesprochen haben. Wir haben gerade erst begonnen“, erklärte ein Vertreter. Bereits tags zuvor hatte der Sprecher der Rebellen in Homs, Oberst Kassem Saadeddine, für die kommenden Tage „Überraschungen“ angekündigt.

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Der syrische Verteidigungsminister Daoud Rajha (r.) wurde bei einem Anschlag in Damaskus getötet. Präsident Assad (m.) ernannte den General Fahd al-Freij (l.) zum Nachfolger des Ministers.
Der syrische Verteidigungsminister Daoud Rajha (r.) wurde bei einem Anschlag in Damaskus getötet. Präsident Assad (m.) ernannte den General Fahd al-Freij (l.) zum Nachfolger des Ministers.

© afp

Wie der Fernsehsender Al Jazeera meldete, handelt es sich bei dem Attentäter möglicherweise um ein Mitglied aus der Leibgarde des Diktators. Der Kommandeur der „Freien Syrischen Armee“, Riad al-Asaad, dagegen erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur AP, seine Mitkämpfer hätten einen Sprengsatz in dem Konferenzsaal platziert und fern gezündet. „Alle, die das Attentat durchgeführt haben, sind in Sicherheit”, sagte er.

Seit vier Tagen liefern sich Rebellen und Sicherheitskräfte schwere Kämpfe in der Hauptstadt, die auf immer mehr Stadtteile ausdehnen. Am Dienstag hatten die Aufständischen erstmals die „Schlacht zur Befreiung von Damaskus“ ausgerufen. Sogar einige Baracken oberhalb des Präsidentenpalastes wurden von Granaten getroffen und brannten nieder.

Abstimmung zu UN-Resolution verschoben

In der Nacht zu Mittwoch griffen Rebellen ein Gebäude an, welches die gefürchteten Shabiha-Milizen als Hauptquartier benutzen. Die heftigsten Kämpfe konzentrieren sich jedoch auf den Stadtteil Al-Midan, wo überwiegend Sunniten leben. Nach Berichten von Anwohnern gingen die gefürchteten Regime-Milizen wenige Stunden nach dem Bombenanschlag zum Gegenangriff über und begannen, Wohnungen zu durchsuchen und zu plündern. Immer mehr Familien irren durch die Straßen der syrischen Hauptstadt auf der Suche nach einem sicheren Ort.

Die getöteten Spitzenvertreter des Regimes gehören zum engsten Krisenstab von Präsident Bashar al-Assad, der seit 16 Monaten den Kampf gegen die aufständische Bevölkerung dirigiert. Das Gremium, dem auch die Chefs von Staatssicherheit, Geheimdienst und Militärgeheimdienst angehören, tagt regelmäßig – die Entscheidungen über die täglichen Einsätze jedoch trifft Präsident Assad stets persönlich.

Sein gefürchteter Bruder Maher kommandiert die Eliteeinheiten des Regimes, die Republikanischen Garden und die Vierte Division der Armee. Wenige Stunden nach dem Anschlag ernannte Präsident Assad mit Fahd al-Freij einen neuen Verteidigungsminister.

Die für Mittwochabend geplante Abstimmung im New Yorker Weltsicherheitsrat über eine UN-Resolution zu Syrien sowie die Verlängerung des Mandats der Blauhelm-Mission wurde angesichts der Ereignisse in Syrien auf Donnerstag verschoben. Bisher haben Russland und China alle Resolutionen per Veto blockiert, die dem syrischen Regime Sanktionen androhen.

Russlands Außenminister Sergei Lavrov ließ durchblicken, dass sich an dieser Haltung nichts geändert habe. Wenn Russland jetzt im Weltsicherheitsrat zustimme, sei das eine eindeutige Parteinahme für die Rebellen, erklärte er. Bundeskanzlerin Angela Merkel dagegen rief alle Seiten auf, sich auf eine gemeinsame Resolution zu einigen.

Alle Staaten der internationalen Gemeinschaft sollten daran mitwirken, „damit die Verletzung von Menschenrechten ein Ende hat, aber auch der politische Prozess vorangehen kann“, sagte Merkel in Berlin.

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