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Drei syrische Kinder spielen in den vom Bürgerkrieg zerstörten Straßen von Joubar, einem Stadtteil von Damaskus.

© Reuters

Syriengespräche in Genf: Keine Gespräche mit dem Diktator - das war einmal

Die Syriengespräche in Genf verzögern sich. Ein schneller Erfolg ist unwahrscheinlich. Deutschland setzt bei den Verhandlungen vor allem auf Russland. Und Putin steht fest an der Seite Assads.

Von einem Frieden in Syrien hängt viel ab, nicht zuletzt die Lösung der europäischen Flüchtlingskrise. Doch der Friedensprozess gestaltet sich schwierig, am Montag sollten die syrischen Konfliktparteien erstmals in Genf verhandeln, doch das Treffen verzögert sich. Die Erwartungen an die Gespräche sind hoch.

Welche Bemühungen gibt es, um den Krieg in Syrien zu beenden?

Die Diplomaten haben im Fall des Bürgerkrieges in Syrien lange vor allem eines getan: Zuschauen. Erst als sich der sogenannte „Islamische Staat“ (IS) bedrohlich ausbreitete und immer mehr Flüchtlinge aus Syrien bis nach Europa kamen, nahm der Verhandlungsprozess Fahrt auf. Auch nachdem die Terroranschläge von Paris im November den Krieg mitten nach Europa brachten. Seitdem wird mit Hochdruck daran gearbeitet, die Konfliktparteien an einen Tisch zu holen. Allen Beteiligten ist inzwischen wohl klar, dass sie den Konflikt militärisch nicht gewinnen können. Die Luftschläge einer internationalen Militärallianz gegen den IS konnten die islamistische Terrorbewegung zwar schwächen, nicht aber besiegen. Und auch die erbitterten Kämpfe zwischen Machthaber Baschar al Assad und den verschiedenen Oppositionsgruppen haben nach nunmehr fünf Kriegsjahren keiner Seite durchschlagende Erfolge gebracht. Auch Assad hat Friedensgesprächen daher nun zugestimmt.

Im vergangenen Jahr verhandelten in Wien zunächst Vertreter von zwanzig Staaten und den Vereinten Nationen, um den Rahmen für Friedensverhandlungen abzustecken. Das Ergebnis: Bis Mitte 2016 soll eine Übergangsregierung aus Regime und Opposition gebildet, 18 Monate später sollen Wahlen abgehalten werden. Saudi-Arabien wurde zudem beauftragt, ein Treffen der syrischen Opposition zu organisieren, damit diese sich auf eine gemeinsame Delegation für die anstehenden Friedensverhandlungen einigt. Dieses Treffen fand im Dezember in Riad tatsächlich statt und brachte eine Einigung. Vor den nun geplanten Verhandlungen in Genf wird dennoch wieder über die Vertretung der Opposition diskutiert. Die syrischen Kurden etwa waren nicht nach Riad eingeladen worden und fühlen sich ausgeschlossen. Streit gibt es außerdem um die Frage, ob islamistische Gruppen in Genf dabei sein dürfen.

Wer beteiligt sich am Friedensprozess?

Wer die Entwicklungen in Syrien genauer verfolgt, der erkennt schnell, dass die tatsächlichen Kriegsparteien nur Randfiguren eines sehr viel größeren Konflikts sind. Nur der IS kämpft hier allein für sich selbst. In Syrien tobt ein Stellvertreterkrieg, in dem gleich mehrere Staaten ihre regionalen Machtansprüche verteidigen oder ausbauen wollen. Saudi-Arabien kämpft hier gegen seinen regionalen Rivalen Iran, Russland verteidigt seinen Großmachtanspruch gegenüber den USA, die Türkei will ein Erstarken der mit der PKK verbundenen syrischen Kurden verhindern.

So unterstützen Iran und Russland Machthaber Baschar al Assad, Saudi-Arabien eine Reihe islamistische Oppositionsgruppen, die USA dagegen gemäßigtere Oppositionsbewegungen. Allein der IS und die zu Al Qaida gehörende Al-Nusra-Front werden von allen in den Syrienkonflikt verwickelten Staaten als Terrororganisationen geächtet und sollen in Genf nicht mit am Tisch sitzen. Russland und das Assad-Regime lehnen aber auch einige andere Gruppen als Verhandlungspartner ab, weil sie angeblich terroristische Ziele verfolgen. Namentlich sind dies Ahrar al Scharm und Jaisch al Islam (siehe Grafik), die beide von Saudi-Arabien unterstützt werden. Russland beruft sich darauf, dass die Vereinten Nationen Terrororganisationen vom Friedensprozess ausgeschlossen haben. Der Streit ist offenbar der Hauptgrund dafür, dass sich die Verhandlungen in Genf verzögern.

Welche Rolle spielt Baschar al Assad?

Der Westen hatte lange einen klaren Standpunkt gegenüber Syriens Machthaber Baschar als Assad. „Keine Gespräche mit dem Diktator“, hieß es in Washington und auch in Berlin. Inzwischen wächst jedoch die Einsicht, dass sich aus der stark zersplitterten Opposition keine tragfähige Regierung aufbauen lässt. Diplomatische Lösungen leben zudem von der Kompromissbereitschaft aller Seiten. Und da Russland fest an der Seite Assads steht, wird man an ihm zumindest in der Übergangsphase nicht vorbeikommen. Eine Zukunft soll es für Assad in Syrien aber nicht geben. Daran hält der Westen fest. Das scheint wiederum Russland zu akzeptieren und setzt nun offenbar auf die Formel Kontinuität ohne Assad. Soll heißen: Assads politische Bewegung, die Baath-Partei, soll unter neuer Führung weiterarbeiten dürfen.

Allen Beteiligten ist ohnehin klar, wie gefährlich ein kompletter Zusammenbruch des Assad-Regimes wäre. Es könnte Auflösungserscheinungen bei wichtigen Institutionen wie der Armee zur Folge haben. Einzelne Kommandeure könnten sich dann samt ihren gut ausgebildeten Soldaten und Waffen radikalen Gruppen anschließen oder eigene Milizen gründen und den Friedensprozess torpedieren. Dem Irak ist genau das zum Verhängnis geworden: Dort kämpfen ehemalige Kommandeure der Armee von Saddam Hussein heute für den sogenannten „Islamischen Staat“.

Dennoch: Die syrische Opposition wird die sich abzeichnende Kompromisslinie möglicherweise nicht mittragen. Schließlich gehen die meisten Todesopfer, Verwundeten und Flüchtlinge im syrischen Bürgerkrieg auf das Konto der syrischen Regierungsstreitkräfte, und nicht etwa auf das des IS. Das belegen Untersuchungen des UN-Menschenrechtsrats in Genf und anderer unabhängiger Beobachter. Assads Fassbomben haben unendlich viel Leid verursacht, und auch die Belagerung der Stadt Madaya durch Truppen des Diktators haben die Brutalität des herrschenden Regimes noch einmal verdeutlicht. Wer 40 000 Menschen, darunter viele Kinder, absichtlich hungern lässt, kann wohl kaum Vertrauen zurückgewinnen.

Welche Position vertritt Deutschland?

Eine Aussage von Frank-Walter Steinmeier (SPD) trifft es wohl am besten. „Ich fürchte, wir sind weit über den Moment hinaus, wo wir uns wirklich alle Gesprächspartner und Verhandlungsteilnehmer aussuchen könnten“, sagte der deutsche Außenminister der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Das gelte für das Assad-Regime genauso wie für die Opposition. „Wo sollen denn nach mehr als fünf Jahren Bürgerkrieg, extremer Gewalt und um sich greifender Verrohung die gemäßigten Kreise herkommen?“, fügte Steinmeier hinzu.

Bei den Verhandlungen setzt Deutschland vor allem auf Russland. Russland komme eine Schlüsselposition bei der Lösung des Syrien-Konflikts zu, sagte Steinmeier. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) äußerte sich in einem Beitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ ähnlich. Eine europäische Strategie im Nahen und Mittleren Osten sowie in Afrika könne es nicht ohne die USA geben, aber auch nicht ohne Putin. „Warum also sollten wir nicht mit Russland zusammen eine gemeinsame Strategie entwickeln können, um Gegensätze zwischen einer saudisch geführten sunnitischen Koalition und einer iranisch geführten schiitischen Koalition abzubauen?“ fragt Schäuble.

Bringt ein Erfolg in Genf auch das Ende der Flüchtlingskrise in Europa?

Selbst wenn die Genfer Gespräche in dieser Woche beginnen sollten, können sie allenfalls der Einstieg in einen Friedensprozess sein. Anfangs werden die Teilnehmer wohl nicht einmal an einem Tisch sitzen, sondern dem UN-Sondergesandten Staffan de Mistura in Einzelgesprächen ihre Forderungen darlegen. Im Falle Syriens kommt außerdem noch die zweite Ebene der Konfliktparteien hinzu: die ausländischen Staaten, die eigene Interessen in Syrien verfolgen. Das erschwert die Verhandlungen zusätzlich. Es wird voraussichtlich Monate dauern, bis sich alle Beteiligten auf einen Waffenstillstand oder gar eine Übergangsregierung einigen können. Und erst danach werden sich wohl weniger Flüchtlinge aus Syrien nach Europa aufmachen. Syrer, die es bereits hierher geschafft haben, dürften ohnehin zunächst abwarten. Viele Städte in Syrien sind schließlich stark zerstört. Es wird Jahre dauern, bis dort wieder ein normales Leben möglich sein wird.

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