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Wählerin in Damaskus. Angaben über die Beteiligung gehen stark auseinander. Foto: dpa

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Politik: Syriens Regime deklariert Wahl als Reform Abstimmung über Parlament trotz Kämpfen Auslandsopposition spricht von „Farce“

Begleitet von Explosionen und Kämpfen in mehreren Provinzen haben die regimetreuen Syrer am Montag ein neues Parlament gewählt. Viele Anhänger der Opposition boykottierten die Wahl, die sie als „Farce“ bezeichneten.

Begleitet von Explosionen und Kämpfen in mehreren Provinzen haben die regimetreuen Syrer am Montag ein neues Parlament gewählt. Viele Anhänger der Opposition boykottierten die Wahl, die sie als „Farce“ bezeichneten. In einigen Gebieten folgten Angehörige der Protestbewegung dem Aufruf zu einem Generalstreik.

Fast 15 Millionen Syrer waren am Montag aufgerufen, die 250 Mitglieder des neuen Parlamentes zu wählen. Das staatliche Fernsehen zeigte Bilder von Wählerinnen und Wählern, die schon bei der Öffnung der Wahllokale um sieben Uhr Schlange standen. Die Opposition stellte dagegen Szenen von geschlossenen Geschäften aus Protesthochburgen wie Deraa, Hama, Idlib oder der Umgebung von Damaskus ins Netz, wo ein Generalstreik ausgerufen worden war. Für das Regime ist diese Wahl Teil seiner Reform, für die Opposition reine Kosmetik. Wegen des Aufstandes war der Urnengang um ein Jahr verschoben worden. 7195 Kandidaten, darunter 710 Frauen, sind angetreten, Hunderte hatten in den letzten Tagen ihre Bewerbung zurückgezogen. Arabische Fernsehsender berichteten von einer schwachen Beteiligung.

Vor allem in Damaskus waren in den vergangenen Wochen ganze Straßenzüge mit Kandidatenporträts zugepflastert, im Zentrum von Hama dagegen war von Wahl nichts zu sehen. Programme gibt es kaum, nur ein paar Daten aus den Lebensläufen und Aufrufe zur nationalen Einheit oder zu friedlichem politischen Wandel. Die neue Verfassung, die im Februar vom Volk angenommen wurde, erlaubt erstmals seit fast 40 Jahren ein Mehrparteiensystem. Die Vormachtstellung der Baath-Partei ist darin nicht mehr enthalten. In der politischen Wirklichkeit hat sich daran aber nichts geändert. Die Kandidaten der Baath-Partei treten auf der Liste der Nationalen Einheit an. Für Unabhängige und andere politische Gruppierungen bleibt kaum Platz.

Die Baath-Partei halte weiterhin alle Machtinstrumente in der Hand, es gebe keine Garantie für Fairness, begründete der Vorsitzende einer neuen Oppositionspartei deren Rückzug gegenüber der Tageszeitung „Al-Watan“. Neun Parteien haben in den vergangenen Monaten eine Lizenz erhalten, zwei von ihnen haben bereits während des Wahlkampfes aufgegeben. Das syrische Parlament ist zudem eine Institution ohne wirkliche Macht.

Bereits die Wahlvorbereitungen wurden von Gewalt begleitet. In der Provinz Deraa meldete die Opposition die Erschießung eines Kandidaten durch Unbekannte. Nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten wurden am Wahltag mindestens sieben Zivilisten von Sicherheitskräften oder Heckenschützen getötet.

Die Aufständischen fühlen sich von den neuen Parteien ohnehin nicht vertreten. Das Parteiengesetz verbietet zudem die Gründung von Parteien auf religiöser oder ethnischer Basis. Damit wurden wichtige Gruppierungen von der politischen Organisation ausgeschlossen, allen voran die Muslimbrüder, die in Syrien ähnlich stark sein dürften wie in Ägypten, sowie die Minderheit der Kurden. Die Opposition im Ausland hat den Urnengang immer als Farce abgetan. Das Regime in Damaskus habe keine Legitimität, Wahlen durchzuführen, die unter Gewehrfeuer abgehalten werden müssten, schrieb der Syrische Nationalrat in seinem Boykottaufruf. Die Opposition im Land ist gespalten. Ein Teil hat zum Boykott aufgerufen, andere Gruppen wollten nach 13 Monaten Aufstand die Chance auf einen politischen Neuanfang wahrnehmen.

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