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Nicht nur die Häuser und Straßen des Landes sind zerstört. Auch die Opposition zeigt Zeichen des Zerfalls.

© AFP

Syrische Opposition: Zeichen des Zerfalls in Syrien

Nach dem Rücktritt des syrischen Oppositionsführers Ahmed Muas al Chatib herrscht unter den Assad-Gegnern Chaos - die Zweifel an der Politikfähigkeit der Vertreter der Aufständischen werden immer größer.

Die syrische Opposition steht vor der totalen Zerrüttung. Nach dem überraschenden Rücktritt von Ahmed Muas al Chatib als Chef der „Nationalen Koalition“ herrschen unter den Assad-Gegnern Chaos und Streit. Die Zweifel an ihrer Politikfähigkeit wachsen – und das zu einem Zeitpunkt, an dem Frankreich und Großbritannien als erste europäische Staaten offen für Waffenlieferungen an die Rebellen plädieren. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius appellierte an die syrischen Regimegegner, Einigkeit zu wahren und nicht in Extremismus abzugleiten. Katars Regierungschef Scheich Hamad bin Jassim al Thani erklärte, er hoffe, al Chatib werde seine Entscheidung noch einmal überdenken. US-Außenminister John Kerry äußerte persönliches Verständnis.

Zu den Gründen für seinen Rückzug schweigt sich der angesehene Geistliche, der einer Gelehrtenfamilie aus Damaskus entstammt, bisher offiziell aus. „Ich habe dem großen syrischen Volk und Gott versprochen zurückzutreten, wenn bestimmte rote Linien überschritten werden“, schrieb er in einer Facebook-Botschaft, ohne dies genauer zu erläutern. Sein Rücktritt erlaube ihm, künftig freier zu arbeiten als innerhalb offizieller Institutionen. „In den letzten beiden Jahren sind wir abgeschlachtet worden von einem unfassbar bösartigen Regime – und die ganze Welt hat zugeschaut.“ Dennoch kündigte al Chatib an, er werde zum Gipfel der Arabischen Liga nach Doha reisen, um vor den versammelten Staatschefs der arabischen Welt eine Rede „im Namen des syrischen Volkes“ zu halten. Gastgeber Katar hatte letzte Woche der syrischen Opposition erstmals angeboten, bei dem arabischen Spitzentreffen am Dienstag und Mittwoch offiziell den Platz des syrischen Machthabers Baschar al Assad einzunehmen.

Der 53-jährige al Chatib war erst im letzten November in Doha unter massivem westlichen und arabischen Druck an die Spitze von Syriens Opposition gewählt worden. Bereits in den letzten Wochen hatte er gegenüber zahlreichen Gesprächspartnern durchblicken lassen, dass ihm der zunehmende Einfluss der Muslimbrüder und islamistischer Radikaler in den Reihen der Opposition Sorgen mache. Auch nahm der zurückgetretene Oppositionschef Anstoß daran, wie sich das superreiche Katar in den syrischen Bürgerkrieg, in die internen Machtkämpfe der Opposition und zuletzt in die Bildung einer Exilregierung einmischt.

Leerer Stuhl. Bei einer Konferenz von Außenministern der Arabischen Liga blieb der Sitz Syriens unbesetzt. Inzwischen wurde Syriens Opposition zum Gipfel der Arabischen Liga eingeladen.
Leerer Stuhl. Bei einer Konferenz von Außenministern der Arabischen Liga blieb der Sitz Syriens unbesetzt. Inzwischen wurde Syriens Opposition zum Gipfel der Arabischen Liga eingeladen.

© AFP

Im Januar hatte al Chatib dem Regime in Damaskus unter bestimmten Voraussetzungen Friedensgespräche angeboten, um Präsident Assad einen Weg ins Exil zu ebnen und den Bürgerkrieg durch einen politischen Machtkompromiss zu beenden. Intern trug ihm dies heftige Kritik ein, vor allem aus den Reihen des „Syrischen Nationalrates“, der innerhalb der „Nationalen Koalition“ die größte Gruppe stellt und stark von Exil-Vertretern sowie Muslimbrüdern beherrscht wird. Diese Fraktion lehnt Verhandlungen mit dem Regime in Damaskus kategorisch ab, trieb trotz der Bedenken von al Chatib die Bildung einer Exilregierung voran und setzte vor einer Woche Ghassan Hitto als ersten Exil-Regierungschef durch. Hitto steht den Islamisten nahe, hat nur geringe politische Erfahrung und war lange als Computeringenieur in Texas tätig. Zwölf der 62 Mitglieder im Zentralrat der „Nationalen Koalition“ legten daraufhin aus Protest ihr Mandat nieder, der neue Premier erhielt mit 35 nur gut die Hälfte aller Stimmen. Die Führung der „Freien Syrischen Armee“ erklärte daraufhin, sie würde Hittos Autorität nicht anerkennen, weil seine Ernennung nicht im Konsens erfolgt sei.

Unterdessen gelang es dem Regime in Damaskus offenbar, den Chef der „Freien Syrischen Armee“, Riad Asaad, durch ein Attentat schwer zu verletzen, als er sich nahe der Ortschaft Mayadeen im Osten des Landes aufhielt. Nach Angaben aus Ankara wurde dem abtrünnigen Ex-General ein Bein abgerissen. Er sei noch in der Nacht über die Grenze in ein türkisches Krankenhaus gebracht worden. In Damaskus feuerten Rebellen unterdessen mehrere Raketen in Richtung Stadtzentrum, Omayyaden-Platz und Opernhaus. Bei dem Angriff etwa einen Kilometer vom Präsidentenpalast entfernt, kam ein Passant ums Leben, sechs wurden verletzt.

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