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Freut sich auf die Neuwahlen: Der Chef der griechischen Linkspartei Syriza, Alexis Tsipras.

© dpa

Syriza ante portas in Griechenland: Griechische Pein

Aus ökonomischer Sicht mag eine Pleite Griechenlands ihren Schrecken verloren haben. Aber falls der Syriza-Partei der Durchmarsch bis ins Regierungsamt gelingt, könnte dies einen politischen Zersetzungsprozess in der Euro-Zone einläuten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Es ist gut drei Jahre her, dass sich in einem Hotel an der Promenade von Cannes ein Lehrstück in europäischer Demokratie zugetragen hat. Die Protagonisten waren zwei ehemalige Staats- und Regierungschefs – der Franzose Nicolas Sarkozy und der Grieche Georgios Papandreou – sowie eine heute immer noch regierende Kanzlerin: Angela Merkel. Merkel und Sarkozy redeten Papandreou damals seinen Plan aus, die Griechen per Referendum über die Sparpolitik zu befragen. Die Euro-Krise war seinerzeit noch nicht ausgestanden, ein „Nein“ der Griechen hätte unübersehbare Folgen für den Bestand der Gemeinschaftswährung haben können. Nach dem denkwürdigen Treffen von Cannes verlor Papandreou sein Amt, der Euro überstand sämtliche Spekulationsattacken – und die Demokratie in Griechenland blieb auf der Strecke. In vier Wochen steht Hellas wieder einmal vor einer Schicksalswahl. Aber anders als in den Jahren 2011, als Papandreou seine EU-Partner mit der Referendumsidee überraschte, und 2012, als der gegenwärtige Regierungschef Antonis Samaras gleich zwei Parlamentswahlen zur Sicherung einer stabilen Mehrheit brauchte, nötigt das vorerst letzte Kapitel im Griechenland-Drama vielen Europäern nur noch ein Schulterzucken ab. Wenn die Griechen demnächst tatsächlich den linken Oppositionschef Alexis Tsipras an die Macht befördern sollten – und wer wollte ihnen dazu das demokratische Recht absprechen? –, dann wäre das vor allem ein Risiko für die Hellenen selbst. Ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone, wie es noch vor einigen Jahren möglich schien, wäre mit Tsipras’ Wahlsieg allein nicht zu befürchten.

Selbst eine Rückkehr zur Drachme würde kein größeres Finanz-Beben auslösen

Dass die EU-Partner auf einmal mit größerer Gelassenheit auf Griechenland schauen, hat vor allem ökonomische Gründe. Die Krisenstaaten Portugal, Irland und Spanien sind über den Berg. Die schlimmste Phase der Euro-Krise ist vorbei. Selbst in dem eher unwahrscheinlichen Fall, dass Tsipras die Drachme wieder einführen müsste, dürften sich die Turbulenzen an den Märkten eher in Grenzen halten. Angeschlagene Länder wie Italien und auch Frankreich können bis auf Weiteres darauf vertrauen, sich zu niedrigen Zinssätzen an den Kapitalmärkten zu finanzieren.

Le Pen und Podemos: Die Kritik am vermeintlichen "Brüsseler Diktat" liegt im Trend

Allerdings geht für die schwächelnden Staaten in der Euro-Zone durchaus ein gewisses Risiko von der neuen Unsicherheit in Griechenland aus. Es ist eine politische Gefahr, und sie kommt sowohl von links auch auch von rechts. In Frankreich trägt dieser politische Trend das Gesicht von Marine Le Pen, in Spanien den Namen der neuen Linkspartei Podemos. Trotz aller Unterschiede haben beide eine Gemeinsamkeit: Sie versprechen ihren Wählern ein schnelles Ende der Sparpolitik und eines vermeintlichen „Brüsseler Diktats“. Falls es in Griechenland Tsipras tatsächlich gelingen sollte, einen weiteren Schuldenschnitt mit den Gläubigern auszuhandeln, könnte dies auch jene politischen Kräfte in anderen Euro- Ländern beflügeln, die den Konsolidierungspfad verlassen wollen. Wenn große Länder wie Italien und Frankreich sich komplett vom Sparkurs, den sie ohnehin nur unter großen Mühen durchhalten, verabschieden würden, stünde die Euro-Zone auch wieder vor jenem Schulden-Schlamassel, der vor einem halben Jahrzehnt in die Euro-Krise führte.

Griechenland bleibt ein Sonderfall

Betrachtet man die Euro-Zone mit ihren demnächst 19 Mitgliedstaaten jedoch als Ganzes, muss man festhalten, dass Griechenland ein Sonderfall geblieben ist. Zu Griechenland gehört eine darbende Mittel- und Unterschicht, die den Preis für den Sparkurs zahlen musste. Hellas – das sind aber auch Reiche, die sich arm rechnen, und nicht zuletzt eine Politikerkaste, die vor allem mit sich selbst beschäftigt ist. Dieses Griechenland steht jetzt wieder vor der Wahl. Sie wird entschieden zwischen den Wählern, die nichts mehr zu verlieren haben, und jenen, denen das Wachstumsversprechen der amtierenden Regierung noch etwas wert ist.

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