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Griechenlands Premier Alexis Tsipras und Russlands Präsident Wladimir Putin bei einem Treffen in Moskau.

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Syriza-Chef bei Putin im Kreml: Tsipras beschwört einen neuen "Frühling" mit Russland

Das war mehr als ein normaler Antrittsbesuch: Wladimir Putin bereitet dem griechischen Premier Alexis Tsipras einen betont freundlichen Empfang in Russland. Die beiden Länder wollen ihre Wirtschaftsbeziehungen ankurbeln. Die EU sieht die Annäherung mit Sorge.

Es sei ein „sehr wichtiger Tag“ für die Beziehungen zwischen Griechenland und Russland, sagte der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras am Mittwoch im Kreml nach seiner Begegnung mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die Formulierung liefert einen Hinweis darauf, dass Tsipras’ Moskau-Visite kein ganz normaler Antrittsbesuch eines griechischen Regierungschefs in der russischen Hauptstadt ist. Der Besuch findet in einem brisanten politischen Umfeld statt – denn in der EU geht die Sorge um, das von der Pleite bedrohte Griechenland könnte aus der bisher einheitlichen Haltung der Europäischen Union bei der Sanktionspolitik gegenüber Russland ausscheren.

In welcher Atmosphäre fand der Besuch statt?

Putin bereitete Tsipras demonstrativ einen freundlichen Empfang. Der Chef des Linksbündnisses Syriza sprach sogar von einem „Frühling“ in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Die völkerverbindende Symbolik kam bei dem Besuch folgerichtig auch mehrfach zum Tragen. Vor der Begegnung mit Putin legte der griechische Regierungschef in Moskau einen Kranz am Grabmal des Unbekannten Soldaten nieder. „Unsere beiden Völker haben gemeinsam gegen den Faschismus gekämpft“, sagte Putin nach der Begegnung mit Tsipras. Beide unterzeichneten eine gemeinsame Erklärung zum 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges.

Was bedeutet es, wenn Moskau das Lebensmittelembargo gegen Athen lockern will?

Nach den Worten von Tsipras sei es bei dem Gespräch mit Putin auch darum gegangen, wie die Abnahme griechischer Agrarprodukte in Russland wieder gestärkt werden kann. Moskau hatte im vergangenen Sommer einen Einfuhrstopp von Milchprodukten, Fleisch, Obst und Gemüse aus dem Westen als Reaktion auf die Wirtschaftssanktionen der EU und der USA verhängt. Vor dem Embargo hatte Griechenland fast ein Viertel der Agrarprodukte nach Russland verkauft.

Begegnung im Kreml. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras (links) und Russlands Präsident Wladimir Putin.
Begegnung im Kreml. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras (links) und Russlands Präsident Wladimir Putin.

© dpa

Wie lange reichen die finanziellen Reserven Griechenlands noch?

Auf die aktuelle Finanzklemme Griechenlands gingen Tsipras und Putin in ihren Erklärungen bei der gemeinsamen Pressekonferenz nicht ein. Auf Nachfrage sagte der russische Präsident: „Die griechische Seite hat nicht um Hilfe gebeten.“ Nach einem Bericht der „Financial Times“ hat die Regierung von Tsipras genug finanzielle Reserven zusammengekratzt, um im April die Schulden bei den internationalen Gläubigern zu begleichen. Allerdings kommt Hellas dem Bericht zufolge nur noch bis Ende des Monats über die Runden. Das Blatt zitierte einen Regierungsbeamten, dem zufolge im kommenden Monat die Pleite droht, wenn nicht die internationale Gemeinschaft mit Hilfskrediten einspringt.

Zwar gelingt es Tsipras’ Regierung weiterhin, sich mithilfe kurzfristiger Anleihen Geld zu beschaffen. So konnten Griechenland am Mittwoch bei einer Versteigerung sogenannter T-Bills 1,13 Milliarden Euro einnehmen – zu einem Zinssatz von knapp drei Prozent. Gleichzeitig werden aber auch laufend Zahlungen an die Geldgeber fällig: Nach der an diesem Donnerstag anstehenden Rückzahlung an den Internationalen Währungfonds (IWF) in Höhe von rund 450 Millionen Euro muss Hellas im Mai weitere 950 Millionen Euro aufbringen, um IWF-Kredite zurückzuzahlen. Also muss bald eine Einigung mit den Gläubigern über die nächsten Reformschritte gefunden werden – sonst kann Griechenland nicht an die noch ausstehende Hilfstranche der Gläubiger in Höhe von 7,2 Milliarden Euro kommen. Nach den Worten des von der „Financial Times“ zitierten Regierungsbeamten müssen einige Reformmaßnahmen eine Zustimmung im Parlament finden, bevor die Finanzhilfen der Geldgeber fließen können.

Dies deckt sich auch mit einer Erwartung, die Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem letzten EU-Gipfel im März geäußert hatte. Merkel hatte erklärt, dass einige vorgezogene Maßnahmen – sogenannte Prior Actions – vor der Auszahlung der Hilfstranchen rechtlich umgesetzt werden müssten. Das Linksbündnis Syriza kann sich zwar gemeinsam mit den Abgeordneten der rechtspopulistischen „Unabhängigen Griechen“ auf eine Mehrheit der Abgeordneten im Parlament stützen. Tsipras kann sich aber nicht sicher sein, dass ihm sämtliche Syriza-Abgeordneten Gefolgschaft leisten, wenn es im Parlament zum Schwur über die Reformmaßnahmen kommt.

Wie kommen die Gespräche zwischen Hellas und den Geldgebern voran?

Die Verhandlungen kommen nur schleppend voran. Am Mittwoch befassten sich die Finanzstaatssekretäre der 19 Euro-Länder mit der Lage in Griechenland. Dabei wollten sich die Beamten einen Überblick darüber verschaffen, welche Reformangebote der Athener Links-Rechts-Regierung nun eigentlich auf dem Tisch liegen. In EU-Kreisen hieß es, dass die Erwartungen an das Treffen niedrig seien, weil in der zurückliegenden Woche wegen des Osterfeiertage nur geringe Fortschritte zu verzeichnen waren. Die Hoffnungen der Regierung in Athen richten sich nun auf das nächste Treffen der Euro-Finanzminister am 24. Mai in Riga. Tsipras setzt darauf, dass zu diesem Zeitpunkt eine Einigung mit den Geldgebern zu Stande kommt.

Nach Angaben aus der Athener Regierung hakt es bei den Gesprächen mit den Geldgebern bei mehreren Punkten. So hat die Regierung Einwände bei der von den Gläubigern geforderten Lockerung des Arbeitsrechts, einer Reform der Sozialversicherungskassen, Privatisierungen und einer Erhöhung der Mehrwertsteuer. Erschwert werden die Gespräche allerdings dadurch, dass Tsipras’ Regierung wiederholt wechselnde Parolen zu den einzelnen Reformprojekten ausgibt. So erklärte Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis am Dienstag, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf den Ferieninseln sei vom Tisch. Am Vortag hatte er noch gesagt, dass über diesen Punkt sehr wohl mit den Institutionen der Geldgeber verhandelt werde.

Wie geht es weiter, falls sich Athen und die Gläubiger demnächst nicht einigen?

Guntram Wolff, der Direktor des Brüsseler Bruegel-Instituts, hält mehrere Szenarien für denkbar, falls es in den nächsten Wochen nicht zu einer Einigung zwischen Griechenland und den Geldgebern kommt. Falls Griechenland nicht in der Lage sein sollte, im Mai die fälligen Kredite beim Internationalen Währungsfonds zurückzuzahlen, seien entweder eine vorübergehende Schließung der griechischen Finanzhäuser durch die europäische Bankenaufsicht oder Kapitalverkehrskontrollen denkbar. Es sei auch möglich, dass es im Zuge einer solchen Notsituation zu Neuwahlen, einem Referendum oder doch zu einer Einigung mit den Gläubigern komme. „Es ist schwer vorhersehbar, welche Option dann gewählt wird“, sagt Wolff.

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