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Nordrhein-Westfalen kehrt zum Abitur nach neun Jahren Gymnasium zurück.

© Armin Weigel/dpa

Systemkonfrontation im Bildungsbereich: G 8 oder G 9 ist die falsche Frage

NRW kehrt zum Abitur nach 13 Jahren zurück. Entscheidend für den Erfolg der Schüler ist aber vor allem die Unterrichtsqualität. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Die Politik hält grausame Volten bereit, mag Ex-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft denken. Rot-Grün wurde in NRW 2017 auch abgewählt, weil die Eltern gegen das Turbo-Abi auf die Barrikaden gingen. Nun kehrt die CDU-FDP-Koalition, die G8 selbst 2005 beschlossen hatte und den rot-grünen Nachfolgern damit ein unheilvolles Erbe hinterließ, zum Abitur nach 13 Jahren zurück.

In Deutschland herrscht mit der Entscheidung in Nordrhein-Westfalen damit im Bildungsbereich nun wieder eine scharfe Systemkonfrontation wie seit Ende der DDR nicht mehr. Alle ostdeutschen Länder einschließlich des Landes Berlin praktizieren das Abitur nach zwölf Jahren, alle West-Länder sind zurückgeschwenkt auf die längere Schulzeit – in Hessen und Baden-Württemberg gibt es ein zumindest aufgeweichtes G8. Allein die Nordlichter Hamburg und Bremen sowie das Saarland sind gallische Dörfer im Reich der G9-Anhänger.

Der Glaubenskrieg geht weiter

Der Glaubenskrieg ist nicht zu Ende. Auf der einen Seite jene, die in der globalisierten Welt die Jugendlichen rascher an die Unis und ins Berufsleben bringen möchten. Sie verweisen darauf, dass man in anderen Ländern früher als in Deutschland mit dem Studium beginnt. Viele Eltern beklagen freilich, dass der Weg zum Turbo-Abi für Kinder erhöhter Lernstress und weniger Zeit für andere Aktivitäten bedeutet. Außerdem kann eine Auszeit für das beliebte Auslandsjahr nun nicht mehr in der regulären Schulzeit untergebracht werden, sondern bedingt in den allermeisten Fällen einen Klassenwechsel.

Leistungsstarke Schüler profitieren von G8

So heftig die Frontstellung, so überraschend die Ergebnisse der Forschung. Studien zeigen in der zehnten Klasse bessere Leistungen der G8-Schüler als Gleichaltrige, die ein Jahr mehr Zeit bis zum Abitur haben – was aber wesentlich in der höheren Zahl von Schulstunden bei den G8-Kindern begründet ist. Eines aber muss die Bildungsrepublik Deutschland, in der soziale Unterschiede immer gravierender werden, alarmieren: Leistungsstarke Schüler profitieren von G8, schwächere Schüler fallen dagegen zurück, weil ihnen keine Zeit mehr bleibt, die gewachsene Lernmenge zu verarbeiten und zu bewältigen.

Wer für das Turbo-Abi ist, muss deshalb sicherstellen, dass leistungsschwächere Kinder genug Unterstützung erhalten. Welcher Weg zum Abitur besser ist, ist die falsche Fragestellung: Viel entscheidender für den Erfolg ist die Qualität des Unterrichts. Dafür braucht es eine Politik, die für genügend Lehrer, moderne Stoffvermittlung und gute Technik-Ausstattung sorgt. Egal ob bei G8 oder G9.

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