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Politik: Tadschikistan legt sich an mit Russland

Der Einfluss von Moskau in Zentralasien schwindet.

Moskau - Die zentralasiatische Ex-Sowjetrepublik Tadschikistan zählt zu den 20 ärmsten Staaten weltweit und ist hochgradig von Russland abhängig. Aber ausgerechnet ihr Verteidigungsminister Sherali Chayrulloyev schlug dem einstigen „Großen Bruder“ gegenüber Töne an, wie sie sich bisher keiner von Moskaus Ex-Vasallen erlaubte. Er habe einen eigenen Vertragsentwurf mitgebracht, erklärte er auf der jüngsten Tagung der Organisation des Vertrages für kollektive Sicherheit – dem Verteidigungsbündnis der UdSSR-Nachfolgegemeinschaft GUS – in Kaliningrad. Den russischen habe er daher gar nicht erst gelesen.

Streitpunkt ist die Verlängerung der Nutzungsrechte für die russische Truppenbasis in Tadschikistan, wo Moskau derzeit rund 7000 Soldaten stationiert hat. Die 2004 geschlossenen Abkommen laufen 2014 aus, die Verlängerung droht an unüberbrückbaren Differenzen zu scheitern. Moskau pocht auf eine Laufzeit von 49 Jahren – wie bei den Abkommen mit Armenien und Kirgistan. Duschanbe will maximal zehn Jahre akzeptieren, die Nutzungsgebühren deutlich steigern und dazu russische Waffen und Munition zum Nulltarif.

Generalstabschef Nikolai Makarow drohte, bis Tadschikistan einen für Russland annehmbaren Vertragsentwurf vorlegt, werde Moskau keine Kopeke mehr in den Ausbau seiner tadschikischen Stützpunkte investieren.

Beide Seiten werfen der jeweils anderen vor, ihre Sturheit sei politisch motiviert – und das womöglich zu Recht. Der Streit um die Modalitäten des Pachtvertrags ist nur Indikator für den schwindenden Einfluss Russlands in Zentralasien. In der Region droht – zumindest im übertragenen Sinne – ein Mehrfrontenkrieg, den Moskau nicht gewinnen kann.

Aggressiv umwirbt Tadschikistan, seit jeher strukturschwach und durch einen Bürgerkrieg in den Neunzigern zerrüttet, Investoren aus Indien und den Golfstaaten. Vor allem aber sucht die wegen ihrer elfhundert Kilometer langen Grenze zu Afghanistan strategisch wichtige Bergrepublik den Schulterschluss zu Moskaus Erzrivalen: den USA und China.

Washington würde die russischen Basen gern übernehmen und will, sollte man sich einigen, Tadschikistan nach dem Abzug aus Afghanistan 2014 größere Mengen an Kriegsgerät überlassen. Pekings Begehrlichkeiten zielen in die gleiche Richtung. Und freundschaftliche Beziehungen zu dem mächtigen Nachbarn im Südosten nannte Tadschikenpräsident Emomali Rachmon erst jüngst beim Besuch in China eine absolute Priorität seiner Außenpolitik.

Beide Staaten hatten im vergangenen Jahr ihre Grenzstreitigkeiten beigelegt. China sackte dabei ein Areal von 1122 Quadratkilometern ein – immerhin ein Prozent des tadschikischen Staatsterritoriums – und vergoldete seinerseits den Deal mit einem Zwei-Milliarden-Dollar- Kredit an Tadschikistan.

Auch bei den Nachbarn – vor allem in Kirgistan und Kasachstan – liefert China Russland einen knallharten Verdrängungswettbewerb, in Usbekistan übernehmen die Vereinigten Staaten diese Rolle. Zwar hatte Wladimir Putin, als er Anfang Mai zum dritten Mal in den Kreml einritt, den Wüstenstaat als einen der Ersten besucht. Seine Hoffnungen, den unbeständigen Amtsbruder Islam Karimow dadurch im pro-russischen Lager halten zu können, erfüllten sich aber nicht, obwohl Russland bei Tadschikistans Wasserstreit mit Usbekistan stets auf dessen Seite stand. Ende Juni trat Usbekistan aus dem Verteidigungsbündnis der GUS-Staaten aus, auch um den Weg für Neuverhandlungen über die Nutzung usbekischer Luftwaffenbasen durch die USA für die Operation in Afghanistan freizumachen. Karimow hatte die Verträge 2005 auf Druck der von Moskau und Peking dominierten Schanghai-Organisation gekündigt. Elke Windisch

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