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"Tag des Zorns": Machtprobe auch in Riad?

Facebook-Aktivisten rufen zum ersten „Tag des Zorns“ in Saudi-Arabien auf

Saudi-Arabiens Herrscher sind nervös, auch im ölreichen Königtum gärt es. Für den heutigen Freitag haben Facebook-Aktivisten zum ersten „Tag des Zorns“ aufgerufen. Die saudischen Behörden antworteten mit einem Totalverbot für Demonstrationen, weil dies „den Prinzipien der islamischen Scharia und den Sitten des Landes“ widerspreche. Ungeachtet dessen schlossen sich inzwischen weit mehr als 30 000 Menschen per Onlinevotum den geplanten Protesten an. Seither sind an Kreuzungen der Hauptstadt Riad demonstrativ Polizeiautos platziert. Sollten jedoch nach Tunesien, Ägypten und Libyen die Volksaufstände auf Saudi-Arabien und die übrigen Golfstaaten übergreifen, könnte bald die ganze Weltwirtschaft ins Stottern kommen, weil ihr das Öl ausgeht.

„Es gibt zwei Möglichkeiten – entweder wir sehen Massen auf der Straße oder nur eine Handvoll“, sagt Mohammed al Qahtani, Vorsitzender der „Saudischen Gesellschaft für zivile und politische Rechte“, gegenüber dieser Zeitung und nannte das Verhalten der Polizei im Vorfeld „weit übertrieben“. Seit zwei Jahren fordert sein politischer Zirkel aus drei Dutzend Intellektuellen mehr Beteiligung der Bürger an politischen Entscheidungen, politische und wirtschaftliche Reformen sowie Meinungs- und Pressefreiheit. Einmal die Woche treffen sich die Oppositionellen am Stadtrand von Riad zu politischen Diskussionen, stets genau überwacht von der Geheimpolizei.

Man werde keinerlei Einmischung von außen dulden, mahnte der saudische Außenminister Prinz Saud al Faisal und versprach „weitere Reformen, um die Hoffnungen und Wünsche der Bürger zufriedenzustellen“. Demonstrationen würden nur Unruhe und Spaltung produzieren. Seit im benachbarten Bahrain die schiitische Mehrheit gegen ihre sunnitischen Herrscher rebelliert, hat Saudi-Arabien die Brücke zu dem winzigen Nachbarn abgeriegelt. Riad fürchtet, der Funke könnte auch auf die eigenen Schiiten überspringen, die in den direkt zu Bahrain benachbarten Ölregionen im Osten des Landes leben. Seit drei Wochen bereits kommt es hier regelmäßig zu kleineren Demonstrationen.

Und so versuchte der 86-jährige König Abdullah, der sich in den USA am Rückgrat hatte operieren lassen, dem Unmut erst einmal durch Sozialzahlungen in Höhe von 26 Milliarden Euro die Spitze zu nehmen. Doch den Menschen geht es nicht um königliche Wohltaten, sondern um politische Rechte, Reformen und eine Öffnung der Gesellschaft. Die Liste der Missstände ist lang. Saudi-Arabien hat kein Parlament und keine Verfassung, keine nationalen Wahlen und keine politischen Parteien sowie keine säkulare Justiz. Frauen sind praktisch rechtlos, dürfen noch nicht einmal Auto fahren. Viele junge Leute haben keine Arbeit. Die Presse ist zwar etwas mutiger geworden, aber immer noch strikt zensiert. Und die rund 6000 königlichen Prinzen führen ein Luxusleben ohne Arbeit und mit wilden Partys, während 40 Prozent der Bevölkerung Saudi-Arabiens als arm gelten.

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