zum Hauptinhalt

Politik: Taiwan blickt ängstlich nach Tibet Präsidentschaftswahl

auf der Insel vor China

Peking - Chinas blutige Niederschlagung der Proteste in Tibet hat die Präsidentschaftswahl in Taiwan wieder zu einen offenen Rennen gemacht. Die 23 Millionen Taiwanesen wählen am Samstag einen neuen Präsidenten. Der als Favorit geltende Kandidat der Oppositionspartei Kuomintang (KMT), Ma Ying-jeou, muss wegen seiner pekingfreundlichen Politik um seinen Vorsprung fürchten.

In den letzten zehn Tagen vor der Wahl dürfen in Taiwan keine Umfrageergebnisse mehr veröffentlicht werden. Beobachtern zufolge soll Frank Hsieh von der chinakritischen Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) durch die Ereignissen in Tibet jedoch Zulauf bekommen haben. Viele Taiwanesen fürchten, dass auch sie Opfer der chinesischen Unterdrückungspolitik werden könnten. Peking sieht Taiwan als abtrünnige Provinz und droht mit Krieg, falls sich der Inselstaat formal für unabhängig erklären sollte.

Chinas brutales Vorgehen in Tibet habe „die Aufmerksamkeit von der schlechten Wirtschaftspolitik der DPP in den vergangenen acht Jahren“ abgelenkt, sagt der Politikwissenschaftler Hsu Yung-ming von der Soochow-Universität. Der scheidende Präsident Chen Shui-bian, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren darf, war wegen zahlreicher Korruptionsaffären in Verruf geraten.

KMT-Kandidat Ma hatte bisher für eine Annäherung und Entspannungspolitik gegenüber den Kommunisten in Peking kandidiert. Er schlug die Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums mit China vor und setzte sich für einen Ausbau direkter Flug- und Verkehrsbeziehungen ein. Sein Rivale Hsieh, dessen Partei die Unabhängigkeit anstrebt, sieht darin dagegen die Sicherheit Taiwans gefährdet.

Als Reaktion auf die Ereignisse in Tibet änderte Ma, der einen komfortablen Vorsprung von mehr als zehn Prozentpunkten hatte, seine Taktik und schlug einen schärferen Ton an. Chinas Vorgehen sei „auf barbarische Art unzumutbar, arrogant, dumm und selbstgerecht“, sagte Ma bei einem Wahlkampfauftritt. Damit bezog er sich auch auf die Kritik von Chinas Premier Wen Jiabao an Taiwans Referendum über einen Beitritt zu den Vereinten Nationen. „Taiwans Zukunft wird von seinen 23 Millionen Menschen entschieden. Eine Einmischung Chinas dulden wir nicht“, betonte Ma.

Das Referendum findet gleichzeitig mit der Präsidentschaftswahl statt, hat aber nur symbolische Bedeutung. Die DPP schlägt im Referendum vor, dass die Insel unter dem Namen Taiwan ein Beitrittsgesuch stellen solle. Peking lehnt dies entschieden ab. Die KMT will den UN-Beitritt ohne Konfrontation forcieren. Die Aussicht auf Erfolg ist jedoch in beiden Fällen gering. In den vergangenen 14 Jahren scheiterte Taiwan mehrfach mit seinen Beitrittsbemühungen in die UN am Widerstand Pekings. Harald Maass

Harald Maass

Zur Startseite