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Politik: Talkshow

Wenn man einige Maßstäbe anlegt, die gutes Fernsehen ausmachen (Tempo, Konflikt, spannende handelnde Personen, Erkenntnisgewinn, Informationstransfer), dann sind Talkshows kein gutes Fernsehen – das Genre scheint schlichtweg nicht geeignet zu sein für das Medium. Und so galt es auch 2012 als Volkssport unter Fernsehkritikern, neben Markus Lanz auf die Talkshow zu schimpfen: zu viel, zu schlecht, herrjemine.

Wenn man einige Maßstäbe anlegt, die gutes Fernsehen ausmachen (Tempo, Konflikt, spannende handelnde Personen, Erkenntnisgewinn, Informationstransfer), dann sind Talkshows kein gutes Fernsehen – das Genre scheint schlichtweg nicht geeignet zu sein für das Medium. Und so galt es auch 2012 als Volkssport unter Fernsehkritikern, neben Markus Lanz auf die Talkshow zu schimpfen: zu viel, zu schlecht, herrjemine.

Das kann man natürlich so sehen, aber es bleibt trotzdem falsch, und so, wie es gute Krimis im deutschen Fernsehen gibt (der „Polizeiruf 110“ aus Rostock) und schlechte Krimis (der „Tatort“ aus Münster), gibt es gute Talkshows und schlechte Talkshows, und manchmal kann eine Talkshow gut und schlecht zugleich sein, es gibt tatsächlich in einem Format wie „Markus Lanz“ große Momente, zum Beispiel als Benjamin von Stuckrad-Barre, assistiert von Edmund Stoiber, die Merkel-Kritikerin Gertrud Höhler in fünf Minuten auseinandergenommen hat. Das sind Glücksmomente, schwer planbar, deshalb ist die Talkshow auch für die Moderatoren und die Redaktionen undankbar, weil der Verlauf einer Sendung zu guten Teilen von den Gästen abhängig ist. Und ein Problem liegt vielleicht auch darin, dass der Zuschauer das Gefühl hat, es seien immer dieselben Gäste, die über dieselben Themen dasselbe erzählen – schlimmer sind da nur die, die zu allen Themen eine Meinung haben, oder die, die endlich mal das sagen, was alle schon immer gesagt haben.

Aber vielleicht verlangt man von dem Genre Talkshow auch zu viel, sie kann nicht die eierlegende Wollmilchsau des Fernsehens sein, sie kann nicht gleichzeitig informativ, unterhaltend, erkenntnisstiftend und spannend sein.

Sie kann aber – und das gibt es auch – ganz anders sein, sie kann über dem Genre stehen, die Metaebene der Talkshow liefern; die Sendung „Roche & Böhmermann“ kann das. Hierbei handelt es sich um einen einzigen Kontrollverlustmoment. Die Sendung, die auf ZDFkultur sonntagabends um zehn läuft (und im Internet jeweils einen Tag früher), ist tatsächlich eine große Zerstörmaschine, denn sie zerstört die Erwartungen der Zuschauer, die Erwartungen der Gäste und wohl zum Teil auch die Erwartungen des ZDF, und das liegt auch an Charlotte Roche und Jan Böhmermann, die die Sendung mit der Haltung moderieren, dass nichts wirklich interessant ist, dass es eigentlich gar nichts zu fragen gibt. Damit ist „Roche und Böhmermann“ zum einen die beste Talkshowkritik, und zum anderen bekommt man eine Ahnung davon, wie es auch gehen könnte. Weil man dabei zuschaut, wie grandios das Scheitern sein kann.Matthias Kalle

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