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Politik: Tausend Dollar für eine Fahrt ins Paradies

An Weihnachten strandeten wieder Flüchtlinge vor Griechenland

Auch an Weihnachten waren sie wieder unterwegs, die „Schiffe der Verzweifelten“. Vermutlich zwölf ihrer Passagiere bezahlten an den Feiertagen die Reise ins vermeintliche Paradies, die EU, mit dem Leben. Der Transport von Flüchtlingen über das östliche Mittelmeer zu den griechischen Küsten gehört zu den Standardrouten gewissenloser Schleuser. Tausend Dollar lassen die sich die Überfahrt auf abgetakelten Fischkuttern und altersschwachen Sportbooten bezahlen. Oft endet die Seereise allerdings tödlich. Wie am ersten Weihnachtstag vor der griechischen Insel Chios.

Mit einem sieben Meter langen Schlauchboot versuchte eine Gruppe von Flüchtlingen, von der türkischen Küste nach Griechenland überzusetzen. Das Boot kenterte jedoch in der stürmischen See. Die griechische Küstenwache konnte zwölf Menschen retten, fünf Flüchtlinge wurden tot geborgen. Auch für vier Vermisste gab es keine Hoffnung mehr. Den Schleuser, einen 44-jährigen Griechen, konnte die Küstenwache festnehmen; er hatte erst vor kurzem in der Türkei eine Haftstrafe wegen Menschenschmuggels abgesessen.

In der Nacht zu Heiligabend hatte sich vor der Insel Korfu eine ähnliche Tragödie ereignet. Ein mit 160 Menschen besetztes Flüchtlingsschiff, das auf dem Weg nach Italien war, lief auf ein Riff und sank. Die meisten Menschen konnten an Land schwimmen, für einen Mann und seine neunjährige Tochter kam jedoch jede Hilfe zu spät. Die beiden Schleuser, vermutlich Albaner, konnten entkommen. Schon in der Woche vor Weihnachten waren vor der Insel Euböa bei einer Havarie zehn Flüchtlinge ertrunken. Zwei türkische Menschenschmuggler wurden von einem Schnellrichter zu zehn Jahren Haft und 150 000 Euro Strafe verurteilt.

Die Strafen wirken indes wenig abschreckend: Das Geschäft mit der Verzweiflung blüht. In diesem Jahr hat die griechische Küstenwache 68 Flüchtlingsschiffe aufgebracht und 4100 illegale Einwanderer festgenommen. Mindestens 150 Flüchtlinge ertranken. Die Dunkelziffer der Illegalen dürfte um ein Vielfaches höher sein. Fachleute schätzen, dass nur etwa jeder zehnte Flüchtling entdeckt wird.

Drei Hauptrouten des Menschenschmuggels führen über die östliche Ägäis. Die erste aus dem Großraum Istanbul über das Marmarameer und die Dardanellen zu den griechischen Sporadeninseln und nach Euböa, die zweite von der türkischen Ägäisküste zu den gegenüber gelegenen griechischen Inseln Chios, Lesbos und Samos und die dritte von der türkischen Südküste nach Kreta und weiter nach Italien.

Die meisten der Armutsflüchtlinge kommen aus dem Nordirak, aus Afghanistan sowie asiatischen und afrikanischen Ländern. Griechenland ist für sie in der Regel nur Durchgangsstation. Die Mehrzahl will weiter nach West- und Nordeuropa. Die griechische Regierung, die am 1. Januar für sechs Monate die Präsidentschaft in der Europäischen Union übernimmt, will das Thema Migration im ersten Halbjahr des neuen Jahres deshalb zu einem Schwerpunkt der Diskussion in der EU machen. „Die Migration wird für uns und für ganz Europa ein immer ernsteres Problem", sagt der griechische Ministerpräsident Kostas Simitis.

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