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Politik: Tausende auf der Flucht

Sri Lanka erlebt die schwersten Kämpfe seit der Waffenruhe vor vier Jahren

Tausende Menschen sind nach dem Wiederaufflammen des Bürgerkrieges in SriLanka auf der Flucht. Nach Angaben des Roten Kreuzes versuchen derzeit fast 7000 Familien aus der umkämpften Stadt Muttur im Nordosten der Insel zu fliehen. Insgesamt sollen 20 000 bis 30 000 Menschen eingeschlossen sein. Vorwiegend Muslime, vor Ort die größte Bevölkerungsgruppe, aber im Land eine Minderheit, gerieten zwischen die Fronten. Bei den Kämpfen zwischen den Tamilen-Rebellen der LTTE und Truppen der singhalesischen Regierung um die Kontrolle über die Stadt werden die Bewohner immer wieder Opfer von Raketen- und Artilleriebeschuss. Die Menschen, darunter Dutzende Verletzte, seien vollkommen von Hilfe abgeschnitten, so ein Sprecher des Roten Kreuzes.

Die Hilfsorganisation forderte die Konfliktparteien zu einer Feuerpause auf, um Zivilisten in Sicherheit bringen zu können. „Schulen und Krankenhäuser, wohin sich die Menschen geflüchtet haben, sind zerstört worden“, berichtete der Regionalkoordinator der Deutschen Welthungerhilfe, Heinz Seidler.

Die Angst wächst, dass die Kämpfe wieder zu einem vollen Bürgerkrieg eskalieren. Zwar hat keine der beiden Seiten bisher die Waffenruhe offiziell aufgekündigt, doch Rebellen und nationale Militärs liefern sich seit Tagen schwere Gefechte in der Region Trincomalee. Die Armee erklärte, sie habe in der vergangenen Woche mehr als 70 Rebellen getötet. In dem Konflikt starben in diesem Jahr bereits über 800 Menschen, darunter zahlreiche Zivilisten. Ursache für der Kämpfe: Die überwiegend hinduistische Minderheit der Tamilen kämpft für einen eigenen Staat im Norden und Osten der Insel – eine Forderung, die die singhalesischen Regierung in Colombo abgelehnt.

UN-Generalsekretär Kofi Annan appellierte an die Konfliktparteien, die Kämpfe zu beenden. Unterdessen traf der norwegische Sondergesandte JonHanssen-Bauer in Sri Lanka ein. Er will sich mit beiden Seiten zu Gesprächen treffen, um einen Bürgerkrieg doch noch abzuwenden. Die Chancen für eine schnelle Feuerpause gelten allerdings als schlecht. Norwegen hatte vor vier Jahren den Waffenstillstand zwischen der LTTE und der Regierung vermittelt.

Die jüngste Eskalation entzündete sich an einem Streit über die Wasserversorgung. Die LTTE blockiert seit dem 20. Juli eine Wasserschleuse in einem von ihr kontrollierten Gebiet in der Region Trincomalee. Als Folge sind über 15 000 Bauern, die meisten Singhalesen und Muslime, vom Wasser abgeschnitten. Die Regierung wirft der LTTE vor, die Bauern auf diese Weise von ihrem Land vertreiben zu wollen. Die Armee begann eine Offensive, um ins Rebellengebiet vorzudringen und die Schleuse zu öffnen. Doch dies gelang bisher nicht. Stattdessen verschärften sich die Gefechte.

Erst 2002 – nach fast 20 Jahren Bürgerkrieg und über 60 000 Toten – hatten Regierung und Rebellen eine Waffenruhe vereinbart. Die LTTE brach die Friedensgespräche jedoch vor drei Jahren ab. Alle Versuche der Norweger, die Verhandlungen wiederzubeleben, scheiterten. Nach den USA, Kanada und anderen Ländern hatte auch die EU die LTTE jüngst als Terrorgruppe gebannt. Die tamilische Rebellenorganisation forderte daraufhin die Beobachter aus EU-Staaten auf, das Land zu verlassen.

Christine Möllhoff[Neu-Delhi]

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