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Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann verlangt eine schnelle Entscheidung zugunsten von Juncker.

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Exklusiv

Tauziehen um Juncker: Faymann verlangt schnelle Entscheidung

Beim EU-Gipfel kommt es zum Schwur über Jean-Claude Juncker als künftigem EU-Kommissionschef. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann warnt davor, die Entscheidung über die Personalie wegen des britischen Widerstandes zu verschieben.

Es wird immer deutlicher, dass der EU-Gipfel Ende dieser Woche Jean-Claude Juncker mehrheitlich als Nachfolger des scheidenden EU-Kommissionschefs José Manuel Barroso vorschlagen wird. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann sprach sich für eine rasche Entscheidung bei dem Spitzentreffen zugunsten des ehemaligen luxemburgischen Regierungschefs als künftigem EU-Kommissionschef aus. „Wir sollten die personellen Entscheidungen noch im Juni abschließen“, sagte Faymann dem Tagesspiegel. Der britische Regierungschef David Cameron verlangt hingegen, dass die Staats- und Regierungschefs ihre Entscheidung über den Barroso-Nachfolger entweder verschieben oder andernfalls offen über Juncker abstimmen. Cameron lehnt Juncker auf dem Posten des EU-Kommissionschefs vehement ab, weil er ihn für zu integrationsfreundlich hält. Die Kampfabstimmung über den Luxemburger, die sich beim Gipfel nun abzeichnet, droht Cameron deutlich zu verlieren.

Angesichts der sozialen Herausforderungen und der hohen Arbeitslosigkeit in Europa verlangte Faymann, die Postendebatte zu verkürzen und zu den Inhalten zurückzukehren. „Angesichts des teilweise bedenklichen Abschneidens rechtspopulistischer Parteien bei den Europawahlen müssen wir alles tun, um einen Vormarsch der rechten Nationalisten in Europa aufzuhalten“, sagte Faymann weiter. In dieser Situation seien nicht „Zauderei und Zögern“ angebracht, sondern „klare Entscheidungen“. Faymann hatte sich am vergangenen Wochenende gemeinsam mit weiteren sozialdemokratischen und sozialistischen Staats- und Regierungschefs in Paris dafür ausgesprochen, Juncker zum Kommissionspräsidenten zu berufen.

Damit Juncker von den EU-Staats- und Regierungschefs vorgeschlagen werden kann, wird eine so genannte qualifizierte Mehrheit benötigt. Damit eine solche Mehrheit zu Stande kommt, müssten sich nach Angaben der EU-Kommission 19 der 28 Staats- und Regierungschefs für Juncker aussprechen und gleichzeitig 260 von 352 gewichteten Stimmen auf die Waage bringen. Vier große EU-Länder verfügen dem System zufolge über die maximale Stimmenzahl von 29: Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Italien. Abgesehen von Cameron haben inzwischen so gut wie alle Staats- und Regierungschefs in der EU ihre Zustimmung für Juncker signalisiert. Sollte der ungarische Regierungschef Viktor Orban bei einer möglichen Kampfabstimmung sich ebenfalls gegen Juncker entscheiden, würde das nicht viel am Endergebnis ändern: Ungarn verfügt im Rat der Staats- und Regierungschefs gerade einmal über zwölf gewichtete Stimmen.

Isoliert - und stolz darauf

In London erhält Cameron derweil angesichts seiner Ablehnung Junckers Applaus. Der konservative Gesundheitsminister Jeremy Hunt erklärte, er sei „sehr stolz“ darauf, dass der britische Premier gegen den sich abzeichnenden Vorschlag der Staats- und Regierungschefs Widerstand leiste. Nach der Ansicht des britischen Regierungschefs würde die EU-Kommission durch eine Entscheidung für Juncker ihre politische Unabhängigkeit verlieren. „Ich möchte einen Premierminister, der für Großbritannien kämpft, und genau das tut David Cameron“, lobte Gesundheitsminister Hunt den Einsatz des Regierungschefs zur Verhinderung Junckers, der aus dem Spitzenkandidaten-Rennen der Parteienfamilien bei der Europawahl als Sieger hervorgegangen war. Die ablehnende Haltung gegenüber Luxemburgs Ex-Premier ist in Großbritannien parteiübergreifend – auch die oppositionelle Labour-Partei sähe lieber einen anderen Kandidaten auf dem Sessel des Kommissionschefs.

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