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Fast zwei Jahrzehnte nach dem Feldzug gegen Saddam Hussein beendet Washington den Kampfeinsatz amerikanischer Truppen im Irak.

© picture alliance/dpa

Teheran hofft auf mehr Macht: Das Ende des US-Kampfeinsatzes im Irak ist Erfolg für den Iran

Die USA beenden den Kampfeinsatz im Irak. Die Entscheidung ist ein Etappensieg für den Erzfeind Iran. Der Machtkampf wird stärker.

Fast zwei Jahrzehnte nach dem Feldzug gegen Saddam Hussein von 2003 beendet Washington den Kampfeinsatz amerikanischer Truppen im Irak. Kurz nach dem Abzug der US-Truppen aus Afghanistan signalisiert die Supermacht damit ein zweites Mal, dass die Region für sie nicht mehr so wichtig ist wie noch vor Jahren.

Die Entscheidung ist ein Etappensieg für Amerikas Erzfeind Iran, der auf eine Ausweitung seines Einflusses im Irak, Syrien und Libanon hofft. Doch freie Fahrt hat das iranische Regime im Irak nicht. Der irakische Premier Mustafa al Khadimi will gegen die iranische Einmischung einschreiten und wird dabei von Türkei und Saudi-Arabien unterstützt.

Suche nach Stabilität

Das offizielle Ende des Kampfeinsatzes, das US-Präsident Joe Biden bei einem Treffen mit Kadhimi in Washington bekanntgab, ist eine Zäsur. Im Krieg gegen Saddam Hussein waren 160.000 Amerikaner im Irak eingesetzt. Vor zehn Jahren zog Washington die meisten Soldaten ab, schickte Tausende Militärs wenige Jahre später auf Bitten von Bagdad aber wieder in den Irak zurück, um den Vormarsch der Terrororganisation „Islamischen Staat“ aufzuhalten.

Heute sind noch rund 2500 US-Soldaten im Irak stationiert, wo sie immer wieder Raketenangriffen pro-iranischer Milizen ausgesetzt sind. Dass der Irak zum Schlachtfeld des iranisch-amerikanischen Konfliktes geworden ist, verhindert nach Meinung von Kadhimi eine Stabilisierung des Landes.

Ausbildung irakischer Truppen

Die US-Soldaten sollen nicht aus dem Irak abgezogen werden, nur ihre Funktion verändert sich. Ab Januar 2022 sollen sich die Amerikaner dort ganz auf die Ausbildung irakischer Truppen konzentrieren. Es ist also eine Umwidmung und keine Reduzierung des Kontingents. Pro-iranische Gruppen sprachen am Dienstag trotzdem von einem „positiven Schritt“.

Das iranische Regime übt über sympathisierende Politiker, Parteien und Milizionäre großen Einfluss auf den Nachbarn aus. Für die iranische Revolutionsgarde ist der Irak als Brücke nach Syrien und zur verbündeten Hisbollah-Miliz im Libanon eines ihrer Haupteinsatzgebiete im Ausland. Mit Bidens Entscheidung kommt der Iran seinem strategischen Ziel, die USA zum Rückzug aus dem Nahen Osten zu zwingen, einen wichtigen, mehr als symbolischen Schritt näher. Erreicht hat der Iran dieses Ziel aber noch lange nicht.

US-Präsident Biden hat sich mit dem irakischen Regierungschef al Kadhimi über ein Ende des US-Kampfeinsatzes in Irak verständigt.
US-Präsident Biden hat sich mit dem irakischen Regierungschef al Kadhimi über ein Ende des US-Kampfeinsatzes in Irak verständigt.

© imago images/UPI Photo

Für Biden spielt der Nahe Osten zwar eine untergeordnete Rolle, weil er die globale Strategie der USA auf den Konflikt mit China ausrichtet. Doch er betonte in seinem Gespräch mit Kadhimi, Amerika sei notfalls weiter bereit, dem Irak gegen den Islamischen Staat zu helfen. An der amerikanischen Truppenpräsenz am Golf, wo Zehntausende Soldaten sowie viele Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge stationiert sind, ändert sich nichts.

Zudem schickt die Nato zusätzliche Truppen in den Irak. Die Zahl der Nato-Ausbilder soll von 500 auf 4000 steigen.

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Stärkung der Souveränität

Auch Kadhimi macht es dem Iran nicht leicht. Der irakische Premier präsentiert das Ende des amerikanischen Kampfeinsatzes vor der irakischen Parlamentswahl im Oktober als Stärkung der Souveränität des Landes.

Kadhimi will den iranischen Einfluss im Irak zurückdrängen und hofft dabei auf den irakischen Nationalismus und die Unterstützung von mächtigen Politikern wie dem Kleriker und Milizenchef Moktada al Sadr.

Außenpolitisch bemüht sich Kadhimi um eine eigenständigere Rolle für den Irak und verstärkte Kontakte zu Iran-Gegnern in der Region. Im Juni empfing Kadhimi in Bagdad den jordanischen König Abdullah und den ägyptischen Staatschef Abdel-Fattah el Sisi, der als erster Präsident Ägyptens seit mehr als 30 Jahren in den Irak kam.

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Kadhimi baute auch die Beziehungen zum iranischen Erzfeind Saudi-Arabien aus, unter anderem mit einem Besuch in Riad. Im März besuchte Papst Franziskus den Irak, es war die erste Reise eines Papstes in das Land an Euphrat und Tigris.

Saudi-Arabien wolle engere Beziehungen zu Bagdad nutzen, um den iranischen Einfluss im Iran zu begrenzen, schrieb der Nahost-Experte Hamidreza Azizi von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik in einer Analyse.

Unterdessen weite die Türkei ihre militärische Rolle im kurdisch regierten Nord-Irak aus. Kadhimi seien diese Entwicklungen recht, weil sie ihm als Gegengewicht zur iranischen Rolle dienten, schrieb Azizi.

Die Teheraner Ambitionen könnten auch von der Lage im Iran selbst gebremst werden. Obwohl das Land unter amerikanischen Sanktionen leidet, gibt das Regime weiter Millionensummen für seine Verbündeten im Irak, in Syrien und im Libanon aus.

Probleme für die eigene Bevölkerung werden dagegen ignoriert: Bei Protesten gegen den Ausfall der Wasser- und Stromversorgung in Teilen des Iran forderten Demonstranten in den vergangenen Tagen ein Ende der außenpolitischen Abenteuer Teherans.

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