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Politik: Teilen tut weh

Die Kommission zur Reform des Föderalismus hat Fortschritte gemacht. Bei der Neuverteilung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern geht es nun ans Eingemachte

Franz Müntefering und Edmund Stoiber sind nicht oft einer Meinung. In einem Punkt aber sind der SPD-Chef und Bayerns Ministerpräsident eins: Die Reform des Föderalismus muss zum Jahresende stehen. Seit einem halben Jahr arbeitet unter ihrem Vorsitz die Bundesstaatskommission, hat Dutzende Gutachter gehört, Tausende Akten gewälzt. Noch sind die Gegensätze zwischen Bund und Ländern groß, auch die Länder unter sich sind nicht immer einer Meinung. Langsam aber drängt die Zeit. Am 6. Mai loten die Ministerpräsidenten aus, worauf sie sich verständigen können. Bis Juli dürften Ergebnisse der Kommission vorliegen. Die Hauptbarriere: Die Reform braucht eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat.

Doch zeichnet sich die Richtung der Reform ab. So dürften die Zustimmungsrechte des Bundesrats beschnitten werden. Nicht mehr 60 Prozent aller Bundesgesetze sollen an seine Zustimmung gebunden sein, sondern nur noch etwa ein Drittel (worunter immer noch viele wichtige Gesetze fielen, etwa die über Steuern). Bislang konnten die Länder ein Bundesgesetz auch dann aufhalten, wenn nur ihre Verwaltungszuständigkeit berührt war. Das ermöglichte politische Blockaden, unter denen derzeit die rot-grüne Koalition leidet. Etwa beim Zuwanderungsgesetz. Nun soll hier entkoppelt werden: Die Länder bestimmen selbst, wie sie solche Bundesgesetze umsetzen (also auch die Kosten). Den inhaltlichen Gesetzeszweck soll der Bundesrat nicht mehr verhindern können. Die Zahl der Verfahren im Vermittlungsausschuss würde deutlich sinken. Dieses Zugeständnis an den Bund verbinden die Länder aber mit einer Forderung: Der Bundestag soll künftig nicht mehr Gesetze auf ihre Kosten machen dürfen. Beispiel: die Garantie bei Kindergartenplätzen. Künftig soll vorab die Kostenfrage geklärt sein. Oder der Bundesrat soll ein Gesetz verzögern können, bis das geschehen ist.

Schwieriger wird die Neuverteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern. Denn es geht um viel Geld. Bund wie Länder fürchten, bei einer Neuregelung den Kürzeren zu ziehen. Am meisten fürchten das die armen Länder. Mit Rücksicht auf diese Ängste dringen die Länder auf eine Vereinbarung mit dem Bund: „Die Geldflüsse müssen bleiben, wie sie vereinbart sind“, fordert Sachsens Staatskanzleichef Stanislaw Tillich (CDU). „Bei der Übertragung von Aufgaben müssen auch die erforderlichen Finanzmittel übertragen werden“, verlangt der Stuttgarter Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU).

Zwei Bereiche dürften ganz an die Länder gehen: Beamtenrecht und -besoldung (was Unterschiede von Land zu Land nach sich zieht) und die gesamte Bildungspolitik vom Kindergarten bis zur Universitätsforschung. Jedes Land könnte dann zum Beispiel für sich bestimmen, ob Studiengebühren erhoben werden. Die Förderung der außeruniversitären Großforschung könnte allein dem Bund zufallen. Umstritten ist noch, ob der Hochschulbau wie bisher gemeinsam getragen oder reine Ländersache wird. Hier mauert vor allem der Osten. Beamte und Bildung sind freilich jetzt schon zumindest teilweise Ländersache; für die Landtage wäre eine Einigung nur hier kein Gewinn. Vor allem die Landtage sollen aber gestärkt werden.

Daher dürfte in den nächsten Wochen ein Forderungskatalog der Länder die Debatte bestimmen, der es in sich hat. Nicht zuletzt, was die Folgen für die Bürger betrifft. Eine Mehrheit der Länder will dort das Sagen haben, wo ihrer Ansicht nach unterschiedliche Lebensverhältnisse eine Länderzuständigkeit erfordern: Sozialhilfe, Kinder-, Jugend-, Altenpflege, regionale Wirtschaftsstrukturpolitik (auch Investitionshilfen und Ladenschluss), regionale Arbeitsmarktpolitik, Landwirtschaftsförderung, Wohnungswesen, Krankenhäuser, Naturschutz, Landschaftspflege, Wasserhaushalt.

In Berlin stößt das auf Skepsis. Umweltminister Jürgen Trittin etwa dringt auf eine zentrale Umweltgesetzgebung. Ein Ausweg, der offenbar in der Kommission erwogen wird: Grundsätzlich regelt der Bund das Umweltrecht, die Länder aber können abweichen, entweder durch Öffnungsklauseln oder über ein „Zugriffsrecht“, nach dem ein Land nach eigenem Gutdünken Regeln setzen kann, soweit diese nicht gegen EU-Recht verstoßen. Ein solches Modell könnte auch auf anderen Feldern greifen – ein erheblicher Schritt, der den Verfassungsgrundsatz „Bundesrecht bricht Landesrecht“ umkehren würde.

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