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Die Richter des Bundesverfassungsgerichts bei der Urteilsverkündung.

© IMAGO/Political-Moments/imago

Teilerfolg für die AfD : Was die Karlsruher Entscheidung für die Desiderius-Erasmus-Stiftung bedeutet

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gibt dem Gesetzgeber einigen Spielraum, der AfD-nahen Stiftung die staatliche Förderung vorzuenthalten. Am Ende könnte der Ball erneut in Karlsruhe liegen.

Im Streit um die Finanzierung parteinaher Stiftungen hat das Bundesverfassungsgericht getan, was es häufiger tut: der Politik das Problem zurückgegeben, das gelöst werden soll. Der Ball, den die AfD nach Karlsruhe getreten hatte, liege nun „im Feld des Gesetzgebers“, sagte die Vorsitzende des Zweiten Senats, Doris König, am Mittwoch bei der Verkündung des Urteils in Karlsruhe.

Der Ball, das sind die Millionen für die Stiftungen, die aus dem Bundeshaushalt kommen. Die 2016 gegründete, AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) bleibt außen vor, während Stiftungen, die den anderen im Bundestag vertretenen Parteien nahestehen, allein im Haushaltsjahr 2019 insgesamt rund 660 Millionen Euro an Fördergeldern vereinnahmen konnten.

Die mindestens in Teilen rechtsextreme AfD, so lautet der Konsens, habe das Geld nicht verdient. Wer teilhaben wolle, müsse fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen.

Der Ausschluss der Desiderius-Erasmus-Stiftung von der Gewährung der Globalzuschüsse greift in das Recht der Antragstellerin auf Chancengleichheit der politischen Parteien ein.

Doris König, Gerichtsvizepräsidentin und Vorsitzende des Zweiten Senats

Ob die DES einen solchen Stand beanspruchen kann, haben die Richterinnen und Richter – noch – nicht entschieden. Sie gaben der Organklage nur insoweit statt, wie sie auf die Feststellung zielte, dass der pauschale Ausschluss der DES von den so genannten Globalzuschüssen für die gesellschaftspolitische und demokratische Bildungsarbeit im Bundeshaushalt 2019, damals im Gesamtvolumen von 130 Millionen Euro, das verfassungsmäßige Recht der AfD auf Chancengleichheit verletzt.

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Die Stiftungen sind einerseits der geistige Überbau der Parteien, indem sie Forschung fördern oder Seminare veranstalten. Zugleich dienen sie dem personellen Unterbau mit Geldern für begabte Studierende, die sich den jeweiligen Parteien nahe fühlen. Formal müssen sie von den Parteien strikt getrennt sein, denn sonst läge in der Mittelzuweisung eine verkappte Parteienfinanzierung. Klar ist aber zugleich, dass Stiftung und Parteien wechselseitig aufeinander wie auch auf das das Wahlvolk einwirken. Eine starke Stiftung hilft der Partei, im politischen Wettbewerb zu bestehen.

Für das Jahr 2019 sieht das Gericht eine Veränderung der Wettbewerbslage

Genau deshalb sind die Gelder so verfassungssensibel, unterstrich jetzt der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts. Einschränkungen seien nur durch ein förmliches Gesetz zu rechtfertigen.

Informelle Ansagen wie die „Gemeinsame Erklärung“ der Stiftungen von 1998 genügten nicht. Darin wurde festgelegt, dass der Staat alle „dauerhaft ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen berücksichtigen“ müsse, um seiner Neutralitätspflicht zu entsprechen. Solche Kriterien seien im Prinzip zulässig, heißt es jetzt. Der Gesetzgeber müsse sie aber näher ausgestalten.

Für das Jahr 2019 gab es nach Ansicht des Gerichts ausreichend Indizien, dass sich die AfD in der Politik hinreichend stabilisieren konnte. Im Bundestag war sie drittstärkste Fraktion, in den Länderparlamenten überall vertreten, bei der Europawahl holte sie elf Prozent.

Mit dem pauschalen Förderausschluss sei „die bestehende Wettbewerbslage zwischen den politischen Parteien zum Nachteil der Antragstellerin verändert“ worden.

660
Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt gab es im Jahr 2019 insgesamt für die Stiftungen.

Die wichtigste Frage bleibt dennoch offen: Kommt die Desiderius-Erasmus-Stiftung an ihr Geld? Im Bundeshaushaltsplan 2022 wurde ein Vermerk aufgenommen, wonach die Zuschüsse nur politischen Stiftungen gewährt werden, „die nach ihrer Satzung und ihrer gesamten Tätigkeit jederzeit die Gewähr bieten, dass sie sich zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten“.

Zwar wollte die Partei, dass auch darüber entschieden wird, doch das Gericht trennte das Verfahren ab. Die Zeit für die Antragsgegner Bundestag und Bundesregierung sei zu knapp gewesen, um darauf angemessen reagieren zu können.

Grundsätzlich zulässig wäre ein solches Ausschlusskriterium wohl. Der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wäre ein „gleichwertiges Verfassungsgut“, mit dem ein Wettbewerbseingriff gerechtfertigt werden könne, heißt es am Ende des Urteils. Aber: „Welche Anforderungen und Konsequenzen sich daraus für die staatliche Stiftungsförderung ergeben, ist vorliegend nicht zu entscheiden.“

Der Ball liegt damit zwar im Feld des Gesetzgebers, aber ein leichtes Spiel wird es nicht. Denn sollen Stiftungen ihre Verfassungstreue aktiv nachweisen müssen? Oder genügen begründete Zweifel, dass es ihnen daran fehlt?

Das muss nun im neuen Finanzierungsgesetz genau geregelt werden, wobei das Ergebnis festzustehen scheint: Die DES soll weiter leer ausgehen. Da die AfD das kaum akzeptieren wird, wird der Ball demnächst auch wieder in Karlsruhe landen.

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