zum Hauptinhalt
Vor dem Hauptsitz der Vereinten Nationen während der 74. Sitzung der Generalversammlung. Dort warnt Generalsekretär Guterres vor einer Finanzkrise.

© dpa/Jennifer Peltz

Teilweise zahlungsunfähig: UN-Generalsekretär warnt vor Finanzkrise

Die UN haben bald kein Geld mehr für Mitarbeiter. An der Spitze der säumigen Zahler stehen die USA.

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen wählte drastische Worte. Die UN, so warnte António Guterres, könnten schon Ende Oktober teilweise zahlungsunfähig sein. Die Weltorganisation werde von der „schlimmsten Finanzkrise“ seit fast einem Jahrzehnt erschüttert – von den 193 Mitgliedsländern haben bislang erst 130 ihre Beiträge für das Budget 2019 entrichtet. An der Spitze der säumigen Staaten stehen laut einer Aufstellung der Vereinten Nationen die Vereinigten Staaten unter Präsident Donald Trump. Nach Medienberichten schulden sie den Vereinten Nationen Hunderte Millionen US-Dollar.

UN-Mitarbeiter könnten bald keine Löhne erhalten

Guterres, ein früherer Premierminister Portugals und erfahrener Politveteran, malte die möglichen Konsequenzen der miserablen Kassenlage in einem Brief an die Mitgliedsländer in düsteren Farben aus: UN-Mitarbeiter könnten bald keine Löhne und Gehälter mehr erhalten, Lieferanten und Auftraggeber der UN würden nicht mehr bezahlt und den „globalen Aktivitäten“ der UN drohe der Stillstand. Guterres enthüllt: Nur weil die UN in diesem Jahr entschlossen gespart haben, konnten sie das nötige Geld für Prestigeprojekte wie den Klimagipfel im September in New York auftreiben.

Die Finanzkrise trifft die Vereinten Nationen zu einer ungünstigen Zeit. Auch politisch geraten die 1945 gegründeten UN immer mehr unter Druck. In einer aus den Fugen geratenen Welt, die eine ordnende Hand mehr denn je bräuchte, können die UN ihrem Hauptauftrag nicht nachkommen: der Sicherung des Friedens. Weltweit wüten nicht endende bewaffnete Konflikte, nahezu jährlich beginnen neue. Die UN erweisen sich gegenüber den meisten Waffengängen als machtlos. Zum Beispiel Syrien.

Seit Beginn des Krieges 2011 findet der UN-Sicherheitsrat keine gemeinsame Linie, um die Kämpfe zu stoppen. Vier UN-Sondergesandte haben sich abgemüht, doch auch sie konnten keinen Frieden bringen. Die Konflikte und Gräuel zwingen immer mehr Menschen zum Verlassen ihrer Heimat. Seit Jahren steigt die Zahl der Kinder, Frauen und Männer auf der Flucht an. Inzwischen sind es mehr als 70 Millionen. Je länger die Menschen in fremden Regionen, oft unter erbärmlichen Bedingungen, ausharren müssen, desto schwerer wird es für sie, irgendwann wieder ein normales Leben zu führen. Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, spricht von einer „der großen Herausforderungen unserer Zeit“.

Trump begreift die UN als Instrument zur Durchsetzung amerikanischer Interessen

Auch setzt der Klimawandel den UN zu. Zwar findet der UN-Generalsekretär immer neue aufrüttelnde Worte und beschwört die „Schlacht unserer Leben“ gegen die Erderwärmung. Doch laut den ernüchternden Berichten des Weltklimarates der UN steigen die Temperaturen immer weiter an – und gefährden das friedliche Miteinander der Völker.

Zudem hebt das Land, auf dessen Initiative die Errichtung der UN maßgeblich zurückgeht, die multilaterale Ordnung aus den Angeln: die USA. In der „America First“-Politik Donald Trumps bleibt kein Platz für eine Organisation wie die UN, deren Mitglieder sich in zähen Verhandlungen auf einen gemeinsamen Nenner einigen müssen. Seit Trumps Amtsantritt verließen die USA einer Reihe von UN-Institutionen und internationalen Verträgen oder erklärten ihren Austritt: vom UN-Menschenrechtsrat über das Pariser Klimaabkommen der UN bis hin zum globalen Migrationspakt der UN.

Die UN sind finanziell auch von den USA zu einem großen Teil abhängig. Die USA zahlen laut Verteilungsschlüssel von allen Ländern noch immer am meisten in den Haushalt ein, ihr Anteil beträgt 22 Prozent. Im Jahr 2017 verabschiedete die UN-Vollversammlung ein Budget für die Jahre 2018 und 2019 von rund 5,4 Milliarden US-Dollar. „Mehr als alle seine Vorgänger begreift Trump die UN nur als mögliches Instrument zur Durchsetzung amerikanischer Interessen“, analysiert ein UN-Diplomat. „Ansonsten schert sich Trump nicht um die UN.“

Jan Dirk Herbermann

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false