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Politik: Tempo, Tempo

Die SPD will verstanden haben: Die Pläne von Rürup und Ulla Schmidt sollen nun zeitgleich präsentiert werden

Von Markus Feldenkirchen

und Cordula Eubel

Nach den desaströsen Landtagswahlen hat die SPD mal wieder verstanden. Das behaupten jedenfalls ihre Spitzenleute. Der Reformkurs werde fortgesetzt, heißt es. Und zwar noch rasanter als bislang geplant. Soweit die Behauptung. Der Beweis muss nun folgen. Und zwar rasch – das Reformtempo soll ja schließlich „erhöht“ werden, verspricht das jüngste Krisenbewältigungspapier des SPD-Präsidiums. Als Beleg für den neuen Gestaltungseifer soll vor allem die Gesundheitsreform dienen. Und ein vorsichtiges Abrücken von den eigenen Steuerplänen, also Eichels „Giftliste“.

Noch im Oktober hatte die nach ihrem Chef benannte Rürup-Kommission den Auftrag, Vorschläge für das Gesundheitswesen bis zum Herbst 2003 vorzulegen. Nun sollen die Experten auf die Tube drücken. Die Vorschläge müssten schon im Frühjahr vorliegen, fordert SPD-Generalsekretär Olaf Scholz und zwar „eher im März oder April als später“. Während sich Rürup und seine Experten also sputen sollen, muss die Gesundheitsministerin sich zunächst zurückhalten. Ihre Vorschläge für eine Strukturreform sollen zeitgleich mit denen der Rürup-Kommission an die Öffentlichkeit gelangen. Die Regierung rückt also ab von ihrer „Zwei- Schritte-Reform“, wonach Schmidt erst mit ihren Strukturänderungen die Ausgaben reformieren, ehe Rürup Vorschläge zur grundsätzlichen Reform der Krankenversicherung unterbreiten sollte. Alles aus einem Guss und alles so schnell wie möglich, lautet nun die Devise. Ein Strategiewechsel, der nicht nur die innerparteiliche Vielstimmigkeit dämpfen soll, sondern auch mit Blick auf die Union gemacht wurde, ohne deren Zustimmung Änderungen der Sozialsysteme Hirngespinste bleiben.

Indem sie den Zeitplan für die Reform strafft, will die Regierung die Union zwingen, selbst schnelle Lösungen vorzulegen. Nach der Maxime: Wenn die Probleme des Landes wirklich so drängend sind, wie ihr behauptet, dann dürft ihr selbst nicht bummeln! Zudem setzt man bei der SPD darauf, den Machtkampf in der Union zu nutzen. So soll ein Konsens über die Gesundheitsreform schon vor Beginn des parlamentarischen Verfahrens gefunden und großer Streit über Detailvorschläge vermieden werden. Und zwar mit der Partei- und Fraktionschefin Angela Merkel. Wenn Merkel diese Chance nicht nutze, so das Kalkül, dann könne sich eben ihr Konkurrent Roland Koch im Vermittlungsausschuss als Moderator für Reformen profilieren.

Das Kalkül hat nur den Nachteil, dass die andere Seite sich ihm nicht so richtig unterwerfen mag. „Ich weigere mich, historische Vergleiche zu ziehen“, sagt Angela Merkel, auf das Vorbild Lahnstein angesprochen. Der Name des Orts in Rheinland-Pfalz steht für jenen Kompromiss, den Ex-Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) 1992 mit seinem SPD-Gegenspieler Rudolf Dreßler verhandelte. Doch die CDU-Chefin lässt durchblicken, dass sie an einer Neuauflage kein gesteigertes Interesse hat. Gesetze gehörten ins Parlament, auch solche, die im Konsens der Großen zu Stande kommen könnten. „Die parlamentarische Demokratie sieht doch ganz klare Verfahren vor.“

Merkel ist schließlich nicht nur Partei-, sie ist vor allem Fraktionschefin – verständlich daher, dass sie am allerwenigsten dem außerparlamentarischen Konsens das Wort reden kann. Wobei Merkel Gespräche über Reformen mit Schröder keineswegs kategorisch ausschließt. Doch dazu müsse der Kanzler einladen, sagt Roman Herzog, der am Dienstag gemeinsam mit Merkel die neue Unions-Kommission zur Reform der Sozialsysteme vorstellt. „Das gebietet das Protokoll“, so der ehemalige Bundespräsident. „Wenn das Gesundheitsministerium etwas vorlegt, können wir diskutieren“, sagt Merkel. Bevor man in die Debatte einsteige, müsse die Regierung aber konkreter mit ihren Plänen werden. „Egal ob Eckpunkte oder ein Gesetzentwurf, wir müssen etwas auf dem Papier haben.“

Diesem Verlangen kommt die Regierung mit ihrem schnelleren Zeitplan entgegen. Neben der Gesundheitspolitik will die SPD auch in der Steuerdiskussion einen Strategiewechsel vollziehen. Als Hauptursache für das Wahrnehmungstief hat sie das Wirrwarr um Hans Eichels 48 Steueränderungen ausgemacht. Das „Steuervergünstigungsabbaugesetz“, in dem die Kürzung der Eigenheimzulage und höhere Steuern für die private Nutzung von Dienstwagen vorgesehen sind, wurde als Quell allen Unglücks identifiziert. Deshalb wollen die Spitzengenossen nicht länger für ihr Sparpaket kämpfen. Sollte die Union im Bundesrat wie angekündigt Nein sagen - dann soll es so sein. „Was fällt, fällt weg – und zwar ersatzlos“, sagt SPD-General Olaf Scholz. Dann gebe es eben kein Geld für Länder und Gemeinden – und dann müssten die Länderfürsten der Union halt eigene Einsparideen entwickeln. Bei der Union hört man derlei aber durchaus gelassen. „Wenn wir zu unserer Aussage stehen, dass wir keine Steuererhöhung zulassen – das ist einfach unbezahlbar“, heißt es ironisch in Unionskreisen.

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