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Die britische Premierministerin Theresa May kommt zum EU-Gipfel.

© European Union/XinHua/dpa

Termin für Brexit: Die EU muss jede Erpressungsmöglichkeit ausschließen

Brüssel gewährt London Aufschub, aber May hätte gerne noch mehr Zeit bekommen. Doch dies würde das absolute Chaos für Europa bedeuten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Vor zwei Tagen, am 20. März, hat die britische Premierministerin in einem Brief an EU-Ratspräsident Donald Tusk den Willen ihrer Regierung unterstrichen, die Europäische Union „in einem ordentlichen Verfahren“ zu verlassen. Um dies zu erreichen, bat sie um eine Verlängerung der Frist für eine entsprechende offizielle Erklärung bis zum 30. Juni, also drei Monate über den bislang fixierten Stichtag, den 29. März, hinaus.

Die EU der 27 hat das am Donnerstagabend abgelehnt. Sie hat stattdessen zwei kürzere Fristen gesetzt: Sollte das Unterhaus den ausgehandelten Vertrag in der kommenden Woche erneut ablehnen, gibt es nur eine Verlängerung bis zum 12. April.  Stimmt es ihm hingegen zu, können die Modalitäten des Austritts bis zum 22. Mai verhandelt werden.

Beide Termine sind taktisch gesetzt – so, wie Theresa May ihren ersten Vorschlag aus taktischen Gründen machte. Die Interessen der EU und die Großbritanniens sind aber hier nicht in Übereinstimmung zu bringen. Hätten sich die 27 auf den 30. Juni eingelassen, begäben sie sich in die Hand einer Regierung, die von den wechselnden und unberechenbaren Stimmungen im Unterhaus abhängig ist.

Auch Bundesregierung sieht 12. April als Datum

Den 12. April hatte der Historiker Timothy Garton Ash bereits am Donnerstag in einem Beitrag für den Tagesspiegel als Stichtag genannt. Auch die Bundesregierung beachtet in ihren Überlegungen dieses Datum. Es gilt als der juristisch und organisatorisch letztmögliche Termin, an dem die britische Regierung noch eine Beteiligung an den Wahlen zum Europäischen Parlament beschließen könnte.

Der 22. Mai hingegen ist der letzte Tag vor dem Beginn  dieser Wahlen, an denen Großbritannien nach aktuellem Stand ja nicht teilnimmt. Das hat Folgen. Die Zahl der Abgeordneten sinkt von 751 auf 705, gleichzeitig erhöht sich aber für 14 der 27 Staaten der Union die Zahl der Delegierten, die sie nach Brüssel und Straßburg entsenden können. Am stärksten profitieren Spanien und Frankreich mit einem Plus von jeweils fünf Mandaten, für Italien und die Niederlande macht der Zuwachs jeweils drei Abgeordnete aus.

Zwischen den Wahlen und dem ersten Sitzungstag des neuen Parlamentes am 3. Juli gibt es eine Art von Interregnum. Diese Zeit, in der das alte Parlament nicht mehr, das neue aber noch nicht tagt, hätte die britische Regierung gerne für weitere Gespräche mit der  EU genutzt.

Aber zu welchem Zwecke? Was hätten sich auf einmal für neue, vorher von niemand beachtete Argumente für die Austrittsmodalitäten finden lassen? Plötzlich hätte das Europa der 27 unter einem von Tag zu wachsenden Zeitdruck gestanden, denn Großbritannien hätte seinen Austritt noch immer nicht erklärt, wäre also weiter Mitglied der EU, nicht aber im Parlament vertreten.

Theresa May könnte neue Bedingungen stellen

Ein juristisch und politisch unhaltbarer Zustand. Mit jedem Tag, der näher an den 3. Juli heranrückt, hätte May oder das ihr ja nicht folgende Unterhaus dem Europa der 27 neue Bedingungen stellen können, etwa den Backstopp betreffend – mit dem letzten Druckmittel im Hintergrund, den Austrittsantrag einfach zurück zu nehmen. Das Ergebnis wäre ein nicht beschlussfähiges Parlament, dessen Wahl im Mai für ungültig erklärt werden müsste, weil Großbritannien nicht ordnungsgemäß vertreten ist. In einem Satz: das absolute Chaos für Europa, eine handlungsunfähige Europäischen Union.

Ob Theresa May mit diesem Gedanken spielt, ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass das Europa der 27 eine solche Erpressungsmöglichkeit, bei aller Freundschaft, juristisch wasserdicht ausschließen muss.

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