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Terror: Dutzende Tote bei Anschlag in Pakistan

Bei einem doppelten Selbstmordanschlag im Nordwesten Pakistans sind am Freitag mindestens 89 Menschen getötet worden, die meisten davon Rekruten. Die Taliban bekennen sich und sprechen von "Rache für Osama bin Ladens Märtyrertod".

Die beiden Selbstmordattentäter sollen „Allah Akbar“ gerufen haben, bevor sie sich selbst in die Luft sprengten und 89 Menschen mit in den Tod rissen. Zwölf Tage nach dem Tod des Terrorführers Osama bin Laden hat die Taliban-Gruppe TTP, die der Al Qaida nahesteht, am Freitag erstmals blutige Rache genommen. Es war der schwerste Terroranschlag in diesem Jahr in Pakistan, und der erste seit der US-Kommandooperation Anfang Mai in Abbottabad.

Die meisten der 89 Todesopfer waren junge Rekruten, die gerade zu ihren Familien abreisen wollten. Der Anschlag ereignete sich am Eingang eines Trainingszentrums für paramilitärische Truppen in Shabqadar im nordwestlichen Distrikt Charsadda bei Peschawar. Weitere 140 Menschen wurden bei dem Doppelanschlag verletzt. Der pakistanische Talibanverband TTP bekannte sich zu dem Blutbad. Es sei lediglich eine „erste Rache für Osama bin Ladens Märtyrertod“ gewesen, sagte Talibansprecher Ehsanullah Ehsan der Nachrichtenagentur AFP.

Der Doppelanschlag in Charsadda sei nur ein Vorgeschmack auf das gewesen, was noch folgen werde, sagte der Taliban-Sprecher weiter. Er kündigte weitere „größere Attacken“ in Pakistan und Afghanistan an. Der Anschlag stellt offenbar eine klare Kampfansage an Pakistans Sicherheitskräfte dar. Auch der Ort scheint kaum zufällig gewählt: Es gab mehrere Berichte, dass Arshad Khan, der die USA auf die Spur von Osama bin Laden und sein Versteck in Abbottabad geführt haben soll, aus Charsadda stammt.

Heftig umstritten ist in Südasien derweil, ob Pakistans Spitze in die US-Operation eingeweiht war oder nicht. Pakistans Führung selbst bestreitet dies vehement, und auch die USA verneinen, dass Islamabad informiert war. Dagegen scheinen die Al Qaida und mit dem Terrornetzwerk verbundene Taliban-Gruppen zu glauben, dass Pakistans Führung doch in irgendeiner Form mit den USA kooperiert hat.

Die verwirrende Faktenlage macht es schwer, die Geschehnisse einzuordnen: Legt man zugrunde, dass die USA tatsächlich ohne das Wissen der pakistanischen Regierung bin Laden in Abbottabad töteten, dann dürfte die Krise zwischen den beiden Ländern echt und ernst sein. Glaubt man dagegen, dass zumindest die Spitzen Pakistans über die US-Operation informiert waren, dürfte das Zerwürfnis ein geschickt inszeniertes Schauspiel sein, um der Welt weiszumachen, dass Islamabad rein gar nichts mit dem Tod Osama bin Ladens zu tun hatte. Für dieses Verwirrspiel gäbe es durchaus gute Gründe, wie der Doppelanschlag zeigt.

Talat Masood, ein prominenter politischer Beobachter und General im Ruhestand, warb im Gespräch mit dem Tagesspiegel um Verständnis für die schwierige Lage Pakistans. Einerseits stehe das Land unter riesigem Druck der USA, andererseits zahle es bereits heute einen gigantischen Blutzoll. „Der Westen darf Pakistan nicht an den Rand des Abgrunds drängen“, forderte Masood. Insbesondere die Talibangruppe TTP verübt immer wieder blutige Attacken in Pakistan.

Der einflussreiche US-Senator John Kerry will unterdessen in der kommenden Woche nach Islamabad reisen, um die Krise zwischen den USA und Pakistan zu entschärfen. Außerdem plant er eine Visite in Afghanistan. In Südasien deuten viele Beobachter bin Ladens Tod als Auftakt für das Endspiel am Hindukusch. Aufgeschreckt reiste nun Indiens Regierungschef Manmohan Singh nach Kabul. Er sagte Afghanistan weitere 500 Millionen US-Dollar Hilfsgelder zu – vermutlich, um den Einfluss Indiens am Hindukusch zu sichern. Die Inder vermuten, dass es einen heimlichen Deal zwischen den USA und Pakistan gibt.

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