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Politik: Terror frisst Terror

Von Frank Jansen

Der Terror hat uns im Griff. Angesichts unzähliger Meldungen über Entführungen im Irak, geköpfte Geiseln, Anschläge von Selbstmordattentätern und wüste Drohungen der in den afghanisch-pakistanischen Bergen versteckten Al-Qaida-Chefs fühlen wir uns machtlos. Der militante Islamismus ist offenbar nicht einzudämmen, der Kampf gegen ihn erscheint oft hoffnungslos. Doch es gibt Nachrichten aus dem Irak, die womöglich auf eine historische Chance zur Gegenwehr hindeuten.

Geheimdienste berichten, der äußerst brutale Al-Qaida-Statthalter Abu Mussab al Sarkawi könnte sich mit Osama bin Laden überworfen haben. Zumindest nennt Sarkawi seine Terrortruppe nicht mehr „Al Qaida des Heiligen Krieges im Zweistromland“. Schon das ist ein herber Rückschlag im weltweiten Propagandafeldzug, den bin Laden und sein Vize Aiman al Sawahiri aus ihren Zufluchtsorten dirigieren. Die Al-Qaida-Spitze sieht den Irak seit Beginn des Krieges gegen Saddam Hussein als zentrales Schlachtfeld im Kampf gegen die Amerikaner und ihre Verbündeten. Und nun diese Pleite.

Außer durch Propaganda wirkt Al Qaida nicht mehr viel in die Öffentlichkeit. Anschläge und andere Terroraktionen planen und verüben längst regionale Gruppen auf eigene Faust, auch wenn sie sich zu Osama bin Laden bekennen. Sicherheitsexperten sprechen von einem „franchising“ des Terrors – Al Qaida bombt kaum noch selbst, doch bin Laden und Sawahiri beanspruchen mit Botschaften nach spektakulären Anschlägen wie denen in London eine Art Markenrecht. Diese Strategie gerät ins Wanken, wenn ausgerechnet im Irak der bisherige Statthalter Al Qaidas den „Firmennamen“ verweigert. Offenkundig brechen in dem Terrornetzwerk innere Widersprüche auf. Sarkawis grausame Anschlagsserien gegen die irakischen Schiiten widersprechen den Absichten bin Ladens, alle Muslime im Kampf gegen die Ungläubigen zu vereinen. Auch Al Qaida ist nicht vor der typischen Schwäche extremistischer Szenen gefeit: Radikale geraten mit Ultraradikalen in Konflikt, es kommt zu Abspaltungen, die Organisationen werden geschwächt. An diesem Punkt kann Gegenwehr ansetzen, mit einem klugen Konzept des „Teile und herrsche“.

Die Amerikaner scheinen dies im Irak bereits mit einigem Erfolg zu betreiben. Ein Teil des sunnitischen Widerstands macht Front gegen Sarkawi, es gab sogar Kämpfe. Wenn es den USA gelingt, die Kluft zwischen den eher nationalistischen Guerillagruppen im Irak und ausländischen Islamisten wie dem Jordanier Sarkawi zu vertiefen, könnte langfristig eine Befriedung der chaotisch anmutenden Zentralregion um Bagdad, dem sunnitischen Dreieck, gelingen. Dazu wäre allerdings eine begleitende, über den Irak hinausreichende Politik der Annäherung an die muslimische Welt notwendig, mit starken Friedenssignalen. Eines, das nachhaltig wirken würde, ja geradezu erlösend, wäre die überfällige Auflösung des Gefangenenlagers Guantanamo.

Die aktuelle Schwäche der Al-QaidaPropaganda könnte so noch durch die gezielte Wegnahme von Argumenten verstärkt werden. Nicht nur die Schließung der Häftlingscamps in Guantanamo gehörte dazu, sondern auch eine lückenlose Aufklärung der Vorfälle im Foltergefängnis Abu Ghraib und eine Bestrafung der für die Misshandlung von Inhaftierten verantwortlichen US-Soldaten und Offiziere. Da erscheint auch eine Entschuldigung des amerikanischen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld unumgänglich. Wenn nicht sein Rücktritt.

Eine intelligente Politik des Ausgleichs gegenüber der muslimischen Welt würde die Perspektiven der Bekämpfung des Terrors deutlich verbessern. Es ist die Aufgabe der Verbündeten Amerikas, hartnäckig darauf zu dringen. Angela Merkel hat mit ihrer deutlichen Kritik an Guantanamo ein wichtiges Zeichen gesetzt. Es sind weitere nötig – auch um zu verhindern, dass die Hysterie um Mohammed-Karikaturen und die muslimische Kritik an Fehlern des Westens der Al Qaida über Schwächeperioden hinweghilft. Es gibt kein Naturgesetz, dass der Terror uns auf ewig im Griff hat.

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