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Schüsse auf die Freiheit: Die Terroristen greifen auch das Café Bonne Bière an. Fünf Menschen kommen dabei ums Leben.

© Ian Langsdon/dpa

Update

Terror in Paris: Was über die Anschläge und die mutmaßlichen Täter bekannt ist

Nach den Terrorangriffen in Paris laufen die internationalen Ermittlungen. Was weiß man über die Täter und ihre Hintermänner?

Das Pariser Stade de France, die Konzerthalle Bataclan, ein halbes Dutzend Cafés und Restaurants – diese Orte wurden am Freitagabend von schwer bewaffneten Extremisten angegriffen. Für Frankreich ist das eine völlig neue Dimension des Terrors. Nach den Anschlägen, zu denen sich die Extremistengruppe „Islamischer Staat“ (IS) bekannte, versuchen die Ermittler seit dem Wochenende aufzuklären, wer die Täter und ihre Hintermänner sind.

Wie sind die Attentäter vorgegangen?

Nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden wurden die Anschläge gleichzeitig von drei Gruppen verübt. Die erste Gruppe, die aus drei Terroristen bestand, sprengte sich am Stade de France in die Luft, während ein weiteres Terrorkommando in der Konzerthalle Bataclan mehr als 80 Menschen tötete. Drei Terroristen aus dieser Gruppe zündeten ebenfalls ihre Sprengstoffgürtel, während ein vierter Angreifer von der Polizei erschossen wurde. Die dritte Gruppe war mit einem Seat im 10. und 11. Arrondissement von Paris unterwegs und tötete dort zahlreiche Menschen in Cafés und Restaurants. Unklar war zunächst, ob alle Mitglieder dieses Killerkommandos gefasst sind.

Was weiß man über die Terroristen?

Nach Angaben der belgischen Staatsanwaltschaft sind zwei der Pariser Attentäter Franzosen, die in Brüssel lebten. Öffentlich gefahndet wird nach dem 26-jährigen Abdeslam Salah. Er wurde nach Polizeiangaben am 15. September 1989 in Brüssel geboren, soll 1,75 Meter groß sein und braune Augen haben. Die Polizei bittet die Bevölkerung um Mithilfe, warnt aber davor, sich dem Verdächtigen zu nähern. Angesichts seines Geburtsortes dürfte es sich um einen der drei aus Brüssel stammenden französischen Brüder handeln, die gemeinsam an den Anschlägen beteiligt gewesen sein sollen. Einer starb dabei, ein weiterer wurde bei einer Razzia in Brüssel verhaftet. Der Verbleib des dritten Bruder galt bis jetzt als unklar.

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Die französische Staatsbürgerschaft hatte auch Omar Ismail Mostefai, der zu dem Kommando gehörte, das in der Konzerthalle Bataclan zuschlug. Der im Pariser Vorort Courcouronnes geborene Mostefai, der zwischen 2004 und 2010 wegen kleinerer Vergehen achtmal verurteilt wurde, war wegen seiner Radikalisierung bereits seit 2010 im Visier der Sicherheitsbehörden. Wegen Terrorverdachts wurde gegen den 29-Jährigen allerdings nie ermittelt. Bei den Überresten eines Selbstmordattentäters vom Stade de France ist ein syrischer Pass gefunden worden. Dieser ist auf den Namen Ahmed Almuhamed ausgestellt. Eine Person mit diesem Namen wurde nach Angaben der griechischen Behörden im Oktober als Flüchtling auf der Insel Leros registriert. Unklar war zunächst, ob der syrische Pass tatsächlich zu dem getöteten Attentäter gehört. Nach einem mutmaßlichen Täter,

Welche Rolle spielt die Islamistenszene in Belgien?

Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve erklärte, die Anschläge seien in Belgien vorbereitet worden. Zudem tauchten in einem von den Attentätern benutzten Wagen laut Medienberichten Parktickets aus dem Brüsseler Stadtteil Molenbeek auf. Es ist nicht das erste Mal, dass eine Terrorspur in die Gemeinde führt, die sechs Kilometer vom Europaviertel entfernt im Westen der Stadt liegt. So wohnte der französische Syrien-Rückkehrer Mehdi Nemmouche, dem das Attentat im Jüdischen Museum mit vier Todesopfern vom Mai 2014 zugeschrieben wird, bei seiner Schwester in Molenbeek, bevor er die Tat verübte. Nach den Worten von Alain Chouet, des früheren Leiters der Abteilung für Gegenspionage, Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung beim französischen Geheimdienst DGSE, ist es kein Zufall, dass Molenbeek zu einer Hochburg des Islamismus wurde. Diese Entwicklung hat laut Chouet eine jahrzehntelange Vorgeschichte. Der starke Einfluss des Salafismus in Belgien gehe auf eine Nachkriegsvereinbarung zwischen Brüssel und Riad zurück, der zufolge Saudi-Arabien das Geschehen in den muslimischen Gemeinden entscheidend prägen konnte. Damit habe sich in Belgien der Salafismus stärker ausbreiten können als in Ländern wie Frankreich oder Deutschland. „Molenbeek ist heute das Zentrum des salafistischen Islam in Belgien“, sagt Chouet.

Hatten die Attentäter Komplizen?

Davon ist auszugehen. Allein die Tatsache, dass die Attentäter identische Sprengstoffvorrichtungen benutzten, lässt auf die Arbeit eines Sprengstoffexperten schließen, der nicht zu den Kommandos gehörte. Inzwischen deutet auch vieles darauf hin, dass die Attentäter logistische Unterstützung aus Belgien hatten – zwei Autos, welche die Täter offenbar während der Tat benutzten, wurden im Nachbarland gemietet. Stück für Stück wurden am Wochenende auch die Verbindungen der Attentäter nach Syrien deutlich. So gingen Ermittler Hinweisen nach, denen zufolge der Angreifer Omar Ismail Mostefai vergangenes Jahr in Syrien gewesen sein soll.

Hat der IS-Terror eine neue Dimension erreicht?

Das zeichnete sich bereits kurz vor dem Angriff in Paris ab. Mutmaßlich Dschihadisten des IS hätten in die am 31. Oktober über dem Sinai abgestürzte russische Passagiermaschine eine Bombe geschmuggelt, heißt es in deutschen Sicherheitskreisen. Anschläge auf Flugzeuge hatte der IS zuvor nicht verübt. Der massive Angriff in Paris deutet nun auf eine zusätzliche Ausweitung der Terrorstrategie hin. Bisher hat sich der IS eher darauf konzentriert, seine Herrschaft in eroberten Gebieten zu sichern, vornehmlich in Syrien, Irak, Libyen und auf dem Sinai. Die Terrormiliz wendet nun also offenbar auch Methoden des konkurrierenden Al-Qaida-Netzwerks und weiterer militanter Organisationen an. Der Al-Qaida-Ableger im Jemen hatte im Oktober 2010 in zwei Frachtmaschinen Paketbomben deponiert, die beim Anflug auf einen US-Flughafen explodieren sollten.

Zur neuen Dimension des IS-Terrors gehört die Instrumentalisierung der Medien. Die Attentäter in Paris begannen den Angriff bewusst während des Länderspiels zwischen Frankreich und Deutschland, als die internationale Presse intensiv auf die französische Hauptstadt blickte. Die Schreckensbilder wurden dann in Echtzeit weltweit verbreitet.

Aus Sicht deutscher Sicherheitskreise ist das Bekennerschreiben des „Islamischen Staats“, das kurz nach dem Angriff in Paris im Internet publiziert wurde, authentisch. Es wird außerdem befürchtet, dass die Anschläge in Paris und auf die russische Maschine im Sinai der Beginn einer Terroroffensive des IS sein könnten. „Uns stehen schwierige Zeiten bevor“, sagte ein hochrangiger Experte.

Eine Spur führt nach Molenbeek. Der Brüssler Stadtteil gilt als Islamisten-Hochburg.
Eine Spur führt nach Molenbeek. Der Brüssler Stadtteil gilt als Islamisten-Hochburg.

© Emmanuel Dunand/AFP

Wie könnten sich die Attentäter finanziert haben?

Für die Anschläge in Paris brauchte es nicht nur eine militärische Ausbildung der Attentäter, sondern wohl auch erhebliche finanzielle Mittel. Über die verfügt der IS. Denn die Dschihadistenmiliz gilt als die reichste Extremistengruppe der Welt. Die Einnahmequellen sind vielfältig. Da gibt es zum Beispiel den Verkauf von Erdöl, das auf dem von der Terrororganisation beherrschten Territorium gefördert wird. Laut dem US-Finanzministerium verdienen die Islamisten damit bis zu 40 Millionen Dollar pro Monat. Um das zu verhindern, fliegen amerikanische Kampfjets derzeit gezielt Angriffe auf Ölfelder und Raffinerien in Syrien wie im Irak. Viel Geld nimmt der IS mit dem Erpressen von Lösegeld für entführte Geiseln ein. Lukrativ ist inzwischen ebenfalls der illegale Verkauf von Altertümern auf dem internationalen Kunstmarkt. In ihrem Machtbereich erheben die „Gotteskrieger“ außerdem eine Art Zoll für den Transport von Waren und Personen. Auch werden Angestellte, Unternehmer und Bauern gezwungen, eine Einkommenssteuer von rund zehn Prozent zu entrichten. So fließen etliche Millionen monatlich in die Kassen des IS, mit denen er sein Terror finanziert.

Was hat es mit der Festnahme in Bayern auf sich?

Der Fall bleibt dubios, bereitet den Sicherheitsbehörden aber Sorgen. „Sollte der festgenommene Mann zu den Tätern in Paris unterwegs gewesen sein, könnte das auf ein größeres Unterstützernetz hindeuten“, sagte ein hochrangiger Experte. Die bayerische Polizei hatte am 5. November an der Autobahn Salzburg–München einen Mann festgenommen, in dessen Wagen mit montenegrinischem Kennzeichen mehrere Kalaschnikows, Pistolen, Handgranaten und Sprengstoff versteckt waren. Einem Handy und einem Navigationsgerät war zu entnehmen, dass er nach Paris fahren wollte.

Den deutschen Behörden war der Festgenommene nicht als Extremist bekannt. Das bayerische Landeskriminalamt vermutete zunächst, der Mann entstamme dem Milieu der organisierten Kriminalität. Doch jetzt werde nicht ausgeschlossen, dass die Waffen für den Angriff in Paris bestimmt waren, sagte ein Experte. Nach Ansicht von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann ist der Verdacht naheliegend, dass der Mann die Waffen an Terroristen liefern wollte.

Das bayerische Landeskriminalamt hatte nach der Festnahme den französischen Kollegen einen Hinweis geschickt, doch Paris sei daran wenig interessiert gewesen, heißt es in Sicherheitskreisen. Möglicherweise hätten die französischen Behörden ein wichtiges Warnzeichen missachtet.

Könnte durch die Anschläge in Paris der Nato-Bündnisfall ausgelöst werden?

Nach Artikel 5 des Nato-Vertrages kann der Bündnisfall ausgerufen werden, der nach einem Angriff auf einen Nato-Staat den militärischen Beistand der übrigen Partner vorsieht. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurde der Bündnisfall ausgerufen. Ob die Terrortaten von Paris dieselbe Folge haben, ist jedoch offen. Zwar bezeichnete Frankreichs Präsident Hollande die Attacken als einen „Kriegsakt, der von außen geplant wurde“ – eine Formulierung, die theoretisch einem gemeinschaftlichen Vorgehen der Nato gegen des „Islamischen Staat“ den Weg ebnen könnte. Allerdings gab es am Sonntag keine Anzeichen, dass die französische Regierung einen Antrag auf ein Nato-Krisentreffen stellen wird.

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