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Politik: Terror soll Verteidigung rechtfertigen

Berlin – Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) will den Begriff der Landesverteidigung so auslegen, dass große Terroranschläge künftig als Verteidigungsfall gewertet werden können. Das ergibt sich aus dem Entwurf des Weißbuchs zur Neubestimmung der Aufgaben der Bundeswehr.

Von Robert Birnbaum

Berlin – Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) will den Begriff der Landesverteidigung so auslegen, dass große Terroranschläge künftig als Verteidigungsfall gewertet werden können. Das ergibt sich aus dem Entwurf des Weißbuchs zur Neubestimmung der Aufgaben der Bundeswehr. In dem rund 100 Seiten starken Entwurf, aus dem „Welt“ und „Bild“ vorab zitierten, heißt es, angesichts der neuartigen Qualität des internationalen Terrorismus seien heute Anschläge Realität geworden, „die sich nach Art, Zielsetzung und Intensität mit dem herkömmlichen Begriff des Verteidigungsfalls gleichsetzen lassen“. Ohne diese Extremfälle in die Betrachtung einzubeziehen, sei weder ein „angemessenes Verständnis“ der geltenden Verfassung möglich noch ein Urteil darüber, ob die gewandelte Bedrohungslage eine Grundgesetzänderung nötig mache.

Hintergrund dieser Passagen ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz. Die Karlsruher Richter hatten den Abschuss eines entführten Passagierflugzeugs untersagt, sobald an Bord dadurch Unbeteiligte getötet würden. Würde ein solcher Anschlag aber als Verteidigungsfall gewertet, könnte dies die rechtliche Beurteilung verändern. Der Verteidigungsfall ist nach Artikel 115a Grundgesetz so definiert, dass „das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht“. Der SPD-Wehrexperter Rainer Arnold lehnte eine Neudefinition umgehend ab: „Ein Terroranschlag ist ein Fall schwerer Kriminalität, aber nicht ein Krieg.“

Mit dem Weißbuch-Entwurf will Jung überdies die Möglichkeit eröffnen, die Bundeswehr generell zum „Schutz der Bevölkerung oder kritischer Infrastruktur“ einzusetzen. Auch hier ist Hintergrund das Karlsruher Luftsicherheitsurteil. Das Gericht hatte festgelegt, dass Soldaten, die in Amtshilfe für Innenbehörden tätig werden, dabei nur polizeiliche Mittel nutzen dürfen. Da die Polizei keine Abfangjäger im Arsenal hat, wäre nach Jungs Einschätzung damit aber beispielsweise auch der Abschuss eines Flugzeugs unmöglich, in dem nur Terroristen sitzen und keine Unbeteiligten. Für diesen Spezialfall bereitet die Koalition bereits eine Grundgesetzänderung vor. Ausschließen will Jung allerdings, dass die Bundeswehr generell als Hilfspolizei eingesetzt werden kann.

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