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Terror: Sprengstoffpaket mit Ziel USA

Eines der Sprengstoffpäckchen wurde in Deutschland umgeladen. Welche Folgen hat das?

Von Matthias Meisner

Die Sache ist wohl doch ernster als zunächst gedacht. Am Samstag hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) noch erklärt, er sehe nach den Vorfällen keine konkrete Bedrohung für Deutschland. „Es liegen keine konkreten Hinweise auf Anschlagsplanungen gegen Deutschland vor“, sagte er, doch stünden die Sicherheitsbehörden mit den beteiligten und weiteren Staaten „im engsten Kontakt“. Spätestens nachdem aber am Samstagabend bekannt wurde, dass eines der im Jemen aufgegebenen Sprengstoffpakete am Flughafen Köln/Bonn umgeladen worden war, änderte sich die Alarmstufe.

De Maizière verfügte, dass ab sofort keine Fracht aus dem Jemen mehr nach Deutschland gelangen sollte. Eine eigentlich für diesen Sonntag geplante Reise nach Israel – er wollte Gespräche in Tel Aviv, Jerusalem und im palästinensischen Ramallah führen – sagte er „aufgrund der aktuellen Ereignisse“ ab. „Der Sicherheitschef muss an Deck bleiben“, sagte er am Sonntag vor Journalisten in Dresden.

Auch das Bundesverkehrsministerium hatte zunächst nur verfügt, dass Frachtsendungen aus dem Jemen besonders kontrolliert werden sollten. Das Logistikunternehmen DHL der Deutschen Post beispielsweise muss dies auf seinem Luftfrachtzentrum am Flughafen Leipzig/Halle tun. Bei dem Konzern war man bis Sonntagmittag zunächst auch nur auf diese Vorsichtsmaßnahme eingestellt, wie eine Sprecherin dem Tagesspiegel erläuterte: „Wir folgen den Weisungen der Behörden.“ Sonderkontrollen seien bereits angelaufen. Weitere verdächtige Sendungen wurden zunächst offenbar nicht entdeckt.

Inzwischen sah sich auch das Verkehrsministerium mit der neuen Gefahrenanalyse des Innenministeriums konfrontiert. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) verschärfte – wohl auch in der Erwartung, dass andere Länder mitziehen – die Linie: „Wir lassen keinerlei Luftpostpakete und Fracht aus dem Jemen mehr nach Deutschland. Das Luftfahrtbundesamt wird die Fluggesellschaften, Expressdienstleister und andere Transportunternehmen entsprechend anweisen.“ Auf die Frage, ob die Maßnahme unbefristet gelte, sagte ein Ministeriumssprecher: „Bis auf Weiteres.“

Unkompliziert ist es nicht, die Einfuhr von Frachtsendungen aus einem Land komplett zu stoppen – dazu noch aus einem so kleinen wie dem Jemen. Denn es gibt regelmäßig nicht so viele Sendungen, dass Flugzeuge direkt etwa von der Hauptstadt Sanaa nach Köln/Bonn oder Leipzig/Halle eingesetzt werden. Die Fracht aus dem Jemen wird anderswo umgeladen, etwa in Dubai und Bahrein. Manchmal kommt sie auch über andere Flughäfen nach Deutschland, etwa über Paris oder den britischen Flughafen East Midlands bei Nottingham.

Um zu verhindern, dass gar keine Sendungen ins Land kommen, ist es aus Sicht der Logistikunternehmen notwendig, dass auch alle anderen Staaten mitziehen, wenigstens in Europa. Innenminister de Maizière bestätigt, bei Luftfracht sei der Transportweg nicht immer von vornherein klar. In dem konkreten Fall mit dem Ziel USA hätte auch eine andere Route gewählt werden können.

Wie viele Frachtsendungen pro Jahr aus dem Jemen in Deutschland ankommen oder hier umgeladen werden, verraten weder die zuständigen Ministerien noch die Transportunternehmen – aus Sicherheitsgründen. „Wir nehmen den Vorgang ernst, auch wenn Deutschland wohl nicht Anschlagsziel war“, sagte de Maizière. Der Minister gab zu, wie sehr die Sicherheitsbehörden von der geplanten Anschlagsserie überrascht wurden. „Die Luftfracht wurde bisher relativ wenig kontrolliert.“ Es habe wenig Hinweise gegeben, dass es Anschläge auf diesem Weg geben könnte. „Dies ist ein neuer Vorgang.“

Deutsche Behörden waren in der Nacht zum Freitag vom Geheimdienst Saudi-Arabiens auf das Luftfrachtpäckchen mit dem Sprengstoff hingewiesen worden. Obwohl das Bundeskriminalamt die in Köln umgeladene UPS-Sendung aufspürte, konnte sie nicht mehr gestoppt werden. Das Paket hatte bereits eine halbe Stunde zuvor Deutschland wieder in Richtung Großbritannien verlassen. De Maizière geht von einer geplanten Anschlagserie aus und kündigte an, er wolle nun selbst in den nächsten Tagen an einen großen Frachtflughafen fahren und sich über die Abläufe informieren. Mögliche Schwachstellen würden ermittelt. Hinweise auf Terrorgefahren hat das Innenministerium schon länger. „Die Gefahr ist immer dagewesen“, sagte de Maizière. Doch diese Hinweise bezögen sich nicht auf ein konkretes Ziel in Deutschland. Schließlich waren die Sendungen an jüdische Einrichtungen in den USA gerichtet gewesen. Dennoch: „Dass der Umschlagsort Deutschland war, kann uns nicht ruhigstellen.“

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