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Politik: Terror und Lügen

Madrid: Ausschuss zu Attentaten belastet Aznar

Die Spanier beobachten die Arbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu den Attentaten vom 11. März mit Misstrauen. Einer Umfrage des staatlichen „Zentrums für Soziologische Studien“ zufolge glauben 58 Prozent der Spanier, der Ausschuss werde nichts oder nur wenig zur Aufklärung der Hintergründe der Anschläge auf vier Nahverkehrszüge beitragen, berichtete die Tageszeitung „El País“ am Wochenende. Dennoch halten 72 Prozent eine parlamentarische Untersuchung der Hintergründe für notwendig.

Spaniens konservative Opposition steht mit dem Rücken an der Wand. Nach dem vorläufigen Abschluss der Arbeit des parlamentarischen Terror-Untersuchungsausschusses hat sich der Verdacht erhärtet, dass der frühere Regierungschef Jose Maria Aznar die Öffentlichkeit aus wahltaktischen Gründen über die Hintergründe des Attentates vom 11. März im Dunklen ließ. Praktisch alle Polizeiermittler erklärten vor der Kommission, dass bereits am Tag des Anschlages die Spuren auf islamistische Täter wiesen. Drei Tage nach dem Blutbad, bei dem 191 Menschen starben, verloren Aznars Konservative, die zunächst die baskische Terrorgruppe Eta beschuldigt hatten, die Parlamentswahl.

„Sie haben gelogen“, fasste Perez Rubalcaba, Sprecher der seit gut drei Monaten in Spanien regierenden Sozialdemokraten, die vorherrschende Sicht über die frühere konservative Regierung zusammen. „Und deswegen befinden sie sich jetzt in der Opposition.“ Die „Lüge“ habe sich aus folgender Überlegung Aznars und seiner Vertrauten vor der Parlamentswahl gespeist: „Wenn es die Eta gewesen war, könnten sie gewinnen, wenn es andere gewesen sind, verlieren.“ Die Konservativen hätten befürchtet, „dass die Wähler das Attentat unserer Beteiligung am Irakkrieg zuschreiben würden – was dann ja auch geschah.“

Aznars gescheiterte Regierungstruppe, die nun in der Opposition um ihren Ruf kämpfen muss, hält trotzdem bis heute die Behauptung aufrecht, dass die Eta etwas mit dem schlimmsten Terroranschlag der spanischen Geschichte zutun hat. „Der Schatten der Eta“ schwebe über dem Attentat, sagte Ex-Innenminister Angel Acebes vor dem Untersuchungsausschuss und wies den Vorwurf zurück, die Nation belogen zu haben. Acebes hatte nach dem Attentat vor den Fernsehkameras der Weltpresse festgestellt: „Es gibt keinen Zweifel, dass der Verantwortliche dieses Attentates Eta ist.“ Doch Zweifel gab es bei den Anti-Terrorfahndern sehr wohl, wie man inzwischen weiß – und zwar schon wenige Stunden nach dem Attentat. Der neue sozialdemokratische Innenminister Spaniens, Jose Antonio Alonso, betonte inzwischen, es gebe keine Anhaltspunkte für eine Verbindung zwischen den arabischen Terroristen, die am 11. März vier Vorortzüge in die Luft jagten, und den baskischen Extremisten.

Ralph Schulze[Madrid]

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