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Politik: Terror und Rache

Anschläge torpedieren den Wiederaufbau Iraks. Die Täter: Saddam-Anhänger und Al Qaida. Die Schiiten warten ab

Von

Von Frank Jansen

und Andrea Nüsse

Tag für Tag gibt es neue Meldungen aus dem Irak über Angriffe auf die Besatzungstruppen oder über Sabotageakte, die den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes empfindlich treffen. Am Dienstag wurde ein verheerender Anschlag auf das UN-Hauptquartier in Bagdad verübt – ein weiteres Zeichen dafür, dass der Widerstand im Land wächst. In den ersten Wochen nach dem offiziellen Ende der Kämpfe betonten die US-Truppen noch, es handele sich nicht um organisierten Widerstand. Doch die Zeichen mehren sich: Am gewaltsamen Widerstand gegen die US-Besatzer im Irak beteiligen sich zunehmend auch militante Islamisten.

Mehrere tausend Gotteskrieger seien inzwischen in das Land gekommen, sagt Kai Hirschmann, Terrorismusexperte der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Unter den Kämpfern befänden sich zahlreiche Profis, die in den afghanischen Camps der Taliban und Al Qaida trainiert worden sind. Der Anschlag auf das UN-Hauptquartier und zuletzt die Angriffe auf eine Ölpipeline sowie eine Hauptwasserleitung Bagdads seien „viel zu professionell“ ausgeführt worden, als dass frustrierte Anhänger Saddam Husseins die Täter gewesen sein könnten.

Hirschmann beruft sich auf Informationen aus internationalen Sicherheitskreisen und betont, den USA sei das Problem des islamistischen Terrors im Irak längst bekannt. Aus innenpolitischen Gründen könne die Regierung von US-Präsident George W. Bush jedoch nicht zugeben, dass sie mit der Beseitigung des Regimes von Saddam Hussein ausgerechnet Al Qaida die Tür geöffnet habe. Deshalb werde weiter behauptet, hinter den Anschlägen steckten Anhänger Saddams.

Al Qaida hänge sich „parasitär“ an den neuen Regionalkonflikt, sagt Hirschmann. Die Terrororganisation verbinde ihre Ideologie mit dem Reizthema der Besetzung, das in der arabischen Welt hochemotionale Reaktionen hervorruft. In diesem Zusammenhang sei auch das kürzlich vom Fernsehsender Al Dschasira ausgestrahlte Al-Qaida-Tonband zu werten. Der Saudi Abdul Rahman al Nadschdi, der zum engeren Umfeld Osama bin Ladens zählt, ruft zum Kampf im Irak auf. Das Tonband ist nach Informationen des Tagesspiegels wahrscheinlich echt.

Auch Schiiten sind unzufrieden

Der Widerstand gegen die US-Besatzungsmacht hat viele Gesichter. Der US-Zivilverwalter im Irak, Paul Bremer, hat für die Anschläge gegen die Hauptpipeline in Richtung Türkei rachsüchtige Anhänger des gestürzten Regimes von Saddam Hussein verantwortlich gemacht. Hinter den Sabotageakten könnten aber auch unzufriedene Stämme in den Regionen stecken. Von Saddam Husseins Regime waren sie großzügig für die Bewachung der empfindlichen Öl-Pipelines bezahlt worden. Heute würden sie diese bequeme Einnahmequelle offenbar gerne wieder aktivieren und schrecken möglicherweise nicht davor zurück, diesen Anspruch durch Anschläge zu untermauern. Die schiitische Bevölkerungsmehrheit scheint bisher nicht an solchen Aktionen beteiligt zu sein. Doch es deutet vieles darauf hin, dass auch mit dieser irakischen Bevölkerungsgruppe eine Konfrontation bevorsteht.

Immer wieder fordern führende Schiiten die US-Truppen zum Verlassen des Landes auf. Ein Vorfall in der vergangenen Woche hatte zu Demonstrationen im schiitischen Stadtteil Sadr-Stadt von Bagdad geführt. Ein US-Hubschrauber hatte eine religiöse Flagge von einem Fernmeldeturm in dem Stadtteil gerissen, wofür sich die US-Armee später entschuldigte. Doch 10 000 Schiiten demonstrierten gegen den Zwischenfall, den sie als Angriff auf ihre Religion verstanden.

Ein Sprecher des führenden Großajatollahs Ali Sistani aus Nadschaf erklärte am vergangenen Wochenende, täglich forderten Gläubige eine Fatwa gegen die Besatzung. Bisher lehne der Großajatollah, einer der vier führenden Geistlichen der irakischen Schiiten, dies ab. „Aber dieses Nein wird nicht ewig andauern“, zitiert die Nachrichtenagentur AFP dessen Sprecher Akram al Zubeidi. Und zugleich bemühen sich die Schiiten im Irak um den Aufbau einer eigenen Armee.

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