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Protest gegen Amerikas Drohnenkrieg im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan.

© AFP

Terrorabwehr: Obamas ehemaliger Berater: „Drohnen sind notwendig“

Obamas Drohnenkrieg hat das Bild des Präsidenten weltweit beschädigt. Sein ehemaliger Berater Harold Koh verteidigt ihn. Ein Gespräch mit dem Jura-Professor und Experten für internationales Recht.

Herr Koh, die USA führen seit Jahren einen „Krieg gegen den Terror“. Wer sind Amerikas Gegner?
Es war die Bush-Administration, die vom globalen Krieg gegen den Terror gesprochen hat. Obamas Regierung dagegen benutzt diese Worte nie. In seiner Rede Ende Mai hat der Präsident erneut betont, dass wir uns nicht in einem globalen Krieg gegen den Terror befinden. Wir versuchen vielmehr, terroristische Netzwerke zu zerschlagen, die die USA bedrohen – vor allem Al Qaida. Der Antiterrorkampf richtet sich also gegen 2000 bis 3000 Menschen, die blutige Anschläge verübt haben und nicht gegen all diejenigen, die Amerika hassen. Das ist ein riesengroßer Unterschied.

Was ist im Kampf gegen Al Qaida erlaubt, was verboten?
Die Terrororganisation ist ein transnationaler, nicht staatlicher Akteur. Im Kampf gegen sie ist die Festsetzung des Gegners erlaubt. Sie dürfen auch feindliche Kämpfer für die Dauer des Konflikts aus dem Verkehr ziehen. Außerdem können Straftaten, die in kriegerischen Auseinandersetzungen verübt wurden, vor Gericht gebracht werden. In einigen Fällen ist auch die gezielte Tötung erlaubt.
In welchen?
Die dafür infrage kommenden Personen müssen in dem Konflikt eine dauerhafte, unmittelbare Bedrohung darstellen. Zum Beispiel, weil sie schwere Anschläge geplant haben. Das beste Beispiel dafür ist Osama bin Laden. Die Anschläge in Nairobi, Dharessalam oder New York waren keine Gelegenheitstaten – sondern sein Job. Er wolllte keinen Frieden. So verhält es sich auch mit Al Qaida. Die Organisation hat keine politischen Motive. Ihr einziger Auftrag lautet, Zivilisten zu töten.
Die USA setzen im Antiterrorkampf auf den Einsatz von Drohnen. Zu Recht?
Meiner Meinung nach ist das Drohnenprogramm im Kern legal und notwendig. Die Regierung hat den Fehler gemacht, die den ferngesteuerten Angriffen zugrunde liegenden Regeln nicht transparent zu machen und sich nicht genügend mit ihren Verbündeten abzustimmen.

Wie und wann dürfen denn bewaffnete Drohnen eingesetzt werden?
Zunächst: Das Bemerkenswerteste an Obamas Rede war, dass er sie überhaupt gehalten hat. Er hätte das nicht tun müssen. Am Tag davor hat der Präsident Richtlinien mit detaillierten Vorschriften und Verfahrensregeln für den Einsatz erlassen. Gefangennahme hat demnach Vorrang vor Tötung. Bei gezielten Tötungen muss es eine hohe Wahrscheinlichkeit geben, dass eine bestimmte Person durch den Angriff getroffen wird. Attacken auf Gruppen, sogenannte signature strikes, sind somit künftig ausgeschlossen. Es reicht nicht aus, dass verdächtige Aktivitäten von nicht näher definierten Al-Qaida-Zellen vorliegen. Und ein Drohnenangriff darf, soweit es möglich ist, nicht zu zivilen Opfern führen.
Aber im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan wurden laut unabhängigen Quellen tausende Menschen, Zivilisten zumeist, durch Drohnenangriffe getötet.
Woher haben Sie diese Zahl? Ich weiß nicht, ob sie der Wahrheit nahe kommt. Man darf denjenigen nicht glauben, die ein politisches Interesse daran haben, die Zahl von zivilen Opfern klein zu halten oder in die Höhe zu treiben. Die US-Regierung führt eine eigene, geheime Statistik. Viele Berichte von Nichtregierungsorganisationen besagen jedoch, dass die in den Medien genannten Opferzahlen möglicherweise vollkommen falsch sind.

Müsste es nicht ein internationales Regelwerk für ihren Einsatz geben?
Drohnen machen als Trägersystem ferngesteuerte Angriffe möglich. Aus humanitärer Sicht sind sie anderen Kampfmitteln potenziell überlegen. Nuklearwaffen zum Beispiel töten unterschiedslos tausende Unschuldige. Aus meiner Sicht sind Drohnen per se nicht illegal – es kommt darauf an, ob ihr Gebrauch mit dem Kriegsrecht vereinbar ist. Außerdem benötigen wir eine Strategie, die zu den entsprechenden Gesetzen passt. Die entscheidende Frage ist: Wo verläuft die Grenze zwischen rechtmäßigem und illegalem Einsatz?

Und, wo verläuft diese „rote Linie“?
Folter ist immer illegal, weil sie die Menschenrechte verletzt. Nach geltendem Recht sind bestimmte Tötungen in Kriegszeiten erlaubt; andere dagegen sind nicht rechtens. Bin Ladens Tötung zum Beispiel hat womöglich tausende Zivilisten vor dem Tod durch Anschläge bewahrt. Pazifisten werden dieser Haltung nicht zustimmen. Ich jedoch bin der Meinung, dass die Anwendung von Gewalt unter bestimmten Umständen Leben rettet.

Harold Hongju Koh
Harold Hongju Koh

© Kai-Uwe Heinrich

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